Dressed to Kill
In seiner über 50-jährigen Filmkarriere hat Drehbuchautor und Regisseur Brian De Palma zwar schon etliche Genres bearbeitet, doch am engsten in sein Name mit den stark von seinem Vorbild Alfred Hitchcock inspirierten Psycho-Thrillern verknüpft, die er zwischen den 1970er und Mitte der 1980er Jahre inszeniert hat. Dabei stellt vor allem der 1980 entstandene Thriller „Dressed to Kill“ einen Höhepunkt dar, der sich einerseits genussvoll vor Hitchcocks „Psycho“, „Das Fenster zum Hof“, „Vertigo“ und „Spellbound“ verbeugt, andererseits damit immer wieder geschickt die Zuschauererwartungen untergräbt.
Inhalt:
Einmal mehr muss Kate Miller (Angie Dickinson) die demütigende „Morgengymnastik“ ihres Mannes über sich ergehen lassen, wobei sie ihr eigenes lustvolles Stöhnen nur vorspielt, um den häuslichen Frieden zu wahren. Insgeheim träumt die sexuell frustrierte Hausfrau und Mutter nämlich durchaus davon, in ihrer eigenen Dusche von einem Fremden vergewaltigt zu werden. Über dieses Missverhältnis spricht sie regelmäßig mit ihrem Psychiater Dr. Robert Elliott (Michael Caine), der sie dazu animiert, mit ihrem Mann über ihr unbefriedigendes Liebesleben zu sprechen. Stattdessen geht sie ins Metropolitan Museum of Art, betrachtet zwar eingehend ein Kunstwerk, hält aber auch nach Männern als mögliche Sexualpartner Ausschau.
Als sich ein Mann mit Sonnenbrille neben sie setzt, versucht sie sofort, entsprechende Signale auszusenden. Nach einem zunächst irritierenden Katz-und-Maus-Spiel im Museum landen die beiden schließlich in einem nahegelegenen Hotel, doch wird Kate nach dem sexuellen Intermezzo im Fahrstuhl von einer blonden Frau mit Sonnenbrille mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten. Die Prostituierte Liz (Nancy Allen) wird durch Zufall als Einzige Zeuge des Mordes und nimmt gedankenlos die Tatwaffe an sich. Detective Marino (Dennis Franz) hält sie zunächst für die einzige Tatverdächtige. Als sie sich mit dem Sohn der Ermordeten, dem Technik-Freak Peter (Keith Gordon), auf die Suche nach dem Mörder macht, versuchen sie, anhand über Dr. Elliott Aufschlüsse über den Mord zu erhalten. Dabei lässt sich Liz auf ein gefährliches Spiel ein …
Kritik:
Sex und Gewalt haben bei Brian De Palma schon oft eine elementare Rolle in seinen Filmen gespielt, aber sicher nie so explizit wie bei „Dressed to Kill“. Bereits die Eröffnungsszene, wenn Angie Dickinson als Kate Miller in ihrer erotischen Phantasie schwelgt, in ihrer Dusche von einem Fremden vergewaltigt zu werden, während ihr Mann sich ganz unbeteiligt vor dem Spiegel rasiert, wird der Zuschauer sogleich in die Rolle des Voyeurs gepresst. Die Großaufnahmen der Hände, die mit der Seife in kreisenden Bewegungen vor allem über die vollen Brüste bis hinunter in den Intimbereich streicheln, lassen es überhaupt nicht zu, den Blick woanders hinzulenken. Nach diesem expliziten Auftakt lässt es De Palma zunächst ruhiger angehen, führt den Zuschauer in den Alltag der sexuell frustrierten Hausfrau ein, die allein zu ihrem Technik-nerdigen Sohn eine innige persönliche Beziehung unterhält, sonst aber auf der Suche nach erotischen Abenteuern ist, vor denen nicht mal ihr Psychiater gefeit ist. Dass Kate als vermeintliche Hauptfigur ebenso früh ermordet wird wie Marion Crane in dem zwanzig Jahre zuvor entstandenen Hitchcock-Meisterwerk „Psycho“, ist nur eine von vielen Verweisen auf Hitchcocks Oeuvre. Dazu zählen in der Folge nicht nur eine weitere Duschszene, die allerdings anders aufgelöst wird, sondern auch die gemeinsamen Ermittlungen und Beobachtungen, die Liz und Peter zur Aufklärung des Mordes an Peters Mutter unternehmen und dabei an das James Stewart und Grace Kelly in „Das Fenster zum Hof“ erinnern, sowie die besondere Rolle des Psychiaters, die an „Ich kämpfe um dich“ gemahnt.
De Palma lädt so auf der einen Seite sein Publikum dazu ein, diese offensichtlichen Verbindungen herzustellen, nur um die damit verbundenen Erwartungen geschickt zu unterlaufen. Dabei stört es ihn nicht im geringsten, dass die Story krasse Logikbrüche aufweist. Dafür erweist er sich als grandioser Stilist, der souverän mit weichgezeichneten Bildern, langen Plansequenzen und Splitscreens arbeitet, um die Spannung konsequent hochzuhalten und überraschende Wendungen zu präsentieren. Brian De Palmas damalige Ehefrau Nancy Allen einmal mehr mit einer Hauptrolle zu besetzen wirkt sich zwar nicht besonders positiv aus, aber durch seine formale und stilistische Brillanz erhebt sich „Dressed to Kill“ letztlich souverän ebenso wie über die fehlende Logik auch über dieses Manko hinweg. Dabei spielt De Palma nicht nur gewitzt mit Versatzstücken aus den von ihm geliebten Hitchcock-Werken, was von Pino Donaggios suggestiven Score noch unterstrichen wird, sondern auch mit Elementen des italienischen Giallo-Kinos.
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