Carrie: Des Satans jüngste Tochter
Mit „Carrie“ feierte Stephen King 1974 seinen erfolgreichen Einstand als „King of Horror“, der fortan quasi im Jahrestakt einen Bestseller nach dem anderen veröffentlichte. 1976 machte sich der aufstrebende Filmemacher Brian De Palma („Die Schwestern des Bösen“, „Schwarzer Engel“) daran, den Roman zu verfilmen. Es sollte der Beginn einer ganzen Flut von Leinwand-Adaptionen sein, die sich auch den unzähligen Kurzgeschichten des Autors aus Maine bedienten, aber nur selten die Qualität von De Palmas „Carrie“ erreichten.
Inhalt:
Carrie White (Sissy Spacek) genießt nach ihrem demütigen Auftritt auf dem Volleyball-Feld gerade die heiße Dusche, als sie das Blut zwischen ihren Beinen bemerkt und panisch auf ihre Mitschülerinnen mit der Bitte um Hilfe zuläuft. Doch statt Carrie zu helfen, lachen sie sie aus, bewerfen sie mit weißen Handtüchern und Tampons, bis die Sport-Lehrerin Miss Collins (Betty Buckley) den Aufruhr auflöst und Carrie beisteht. Offensichtlich wurde das Mädchen noch nicht aufgeklärt, was in erster Linie Carries religiös-fanatische, alleinerziehende Mutter Margaret (Piper Laurie) zu verantworten hat. Während Carrie für den Rest des Tages von der Schule beurlaubt wird, müssen ihre Mitschülerinnen bei Miss Collins auf dem Sportplatz nachsitzen, was vor allem der Wortführerin Chris (Nancy Allen) missfällt. Als sie die Sportstunde vorzeitig verlässt, wird sie vom Abschlussball ausgeschlossen, zu dem sie mit ihrem Freund Billy Nolan (John Travolta) gehen wollte. Doch das lässt sie nicht auf sich sitzen und plant einen Streich, den Carrie nie vergessen soll. Dabei bekommt sie Unterstützung von Sue (Amy Irving), die ihren Freund Tommy (William Katt) bittet, mit Carrie zum Abschlussball zu gehen.
Zwar sind sowohl Miss Collins als auch Carrie selbst wegen der möglichen Absichten hinter der Einladung skeptisch, doch dann beginnt sich Carrie auf den Ball zu freuen, näht sich ein Kleid und verwendet etwas Kosmetik für ihr Gesicht. Ihre Mutter sieht in diesem Vorgehen natürlich das Werk des Teufels, doch Carrie setzt sich mithilfe ihrer vor kurzem entdeckten telekinetischen Kräfte über den Willen ihrer Mutter hinweg. Tatsächlich entwickelt sich der Ball für Carrie zunächst zu einem vollen Erfolg, und sie genießt die Zeit mit dem aufmerksamen Tommy, doch hinter den Kulissen warten bereits Chris und Billy darauf, dem Ball ihren Stempel aufzudrücken…
Kritik:
Wie schon Stephen King in der Romanvorlage gelingt es auch Brian De Palma, die fragile Persönlichkeit eines Mädchens an der High School in seinem Film mit außergewöhnlichen Mitteln abzubilden. Dabei ist es vor allem der für ihre Darstellung mit einer Oscar-Nominierung bedachten Sissy Spacek zu verdanken, dass die Figur der unscheinbaren, von ihren Mitschülern gehänselten und von ihrer fanatischen Mutter gedemütigten und gemaßregelten Carrie so glaubwürdig wirkt. Wenn Carrie mit geschlossenen Augen sanft ihren nackten Körper unter der heißen Schuldusche einseift und langsam ihre erste Periode zwischen ihren Beinen und vor allem an ihren Händen sieht, deutet das Rot des Blutes bereits auf das verstörende Finale hin. Die Telekinese, die sich bei Carrie zunächst in der demütigenden Duschszene, dann im Büro des Schuldirektors offenbart, wird dabei nur kurz als übernatürliche Fähigkeit thematisiert, wenn Carrie das Phänomen in der Bibliothek nachschlägt, sondern wird als Ausdruck der Störung transportiert, die Carrie durch das Verhalten ihrer Mitschüler einerseits und die rigide Erziehung durch ihre Mutter andererseits erfährt.
De Palma beschränkt das weitere Geschehen zwar auf die High School und den Abschlussball, doch gelingt ihm dadurch eine Fokussierung auf die wesentlichen Figuren und den großen Knalleffekt, der sich allerdings auch schon früh abzeichnet. Bis dahin genießt das Publikum ebenso wie Carrie die fröhliche Ausgelassenheit, die schönen Kleider, das schimmernde Licht und Tommys Aufmerksamkeit. De Palma verbeugt sich dabei einmal mehr vor seinem großen Vorbild Alfred Hitchcock, arbeitet mit Splitscreens und lässt auch Komponist Pino Donaggio immer wieder mit Bernhard Herrmanns bemerkenswerten Motiven und Arrangements spielen. Neben Sissy Spaceks einfühlsamer Performance überzeugt vor allem Piper Laurie („Twin Peaks“, „Haie der Großstadt“) in der Rolle der grausig karikierten Mutter. Mit der letzten Szene hat De Palma sicher auch eine der unvergesslichsten in der Geschichte des Horror-Films inszeniert. So bleibt auch „Carrie“ im Kanon der Stephen-King-Verfilmungen und der De-Palma-Werksbiografie ein absolutes Highlight.
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