Der Sizilianer
Michael Cimino musste nach seinem Mega-Flop mit dem Spät-Western „Heaven’s Gate“ (1980) spürbar kleinere Brötchen backen und verlor fortan die volle Kontrolle für seine nachkommenden Produktionen. Nach seinem sehenswerten Comeback mit „Im Jahr des Drachen“ (1985) nahm er sich 1987 der Verfilmung von Mario Puzos „Der Silzilianer“ an. Dem biografischen Drama um den sizilianischen Räuber Salvatore Giuliano (1922-1950) fehlt es im Vergleich zu früheren Cimino-Filmen an emotionaler Tiefe und gut charakterisierten Figuren.
Als Salvatore Giuliano (Christopher Lambert) mit seinem Freund Aspanu Pisciotta (John Turturro) in einem Sarg Mehl transportiert, um es zu den Armen in Montelepre zu bringen, gerät er in eine Polizeikontrolle und einen Schusswechsel, bei dem einer der Polizisten getötet und er selbst schwer verletzt wird. Nach seiner Genesung befreit er nicht nur Pisciotta aus dem Gefängnis, sondern schenkt allen anderen Gefangenen ebenso die Freiheit. Mit ihnen zieht er in die sizilianischen Berge, von wo aus er die reichen Großgrundbesitzer bestiehlt und die Beute mit den Armen teilt, damit diese ihr eigenes Land kaufen können. Als er dabei eine Gesellschaft des wohlhabenden Prinzen Borsa (Terence Stamp) um ihre Wertsachen erleichtert, macht Giuliano die Bekanntschaft mit der amerikanischen Herzogin Camilla (Barbara Sukowa), die den jungen Mann in ihrem Gemach verführt. Während Giuliano in der Bevölkerung bald den Ruf eines Volkshelden genießt, macht sich der Mafiaboss Masino Croce (Joss Ackland) Sorgen, dass seine Freunde in Rom die Wahl gegen die Kommunisten verlieren könnten, weshalb er alle Hebel in Bewegung setzt, um Giuliano auf seine Seite zu bringen. Als eine persönliche Aussprache nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, setzt Don Masino einen von Giulianos engsten Vertrauten darauf an, den Unruhestifter auszuschalten. Doch durch immer gewalttätigere Aktionen, unter denen auch die einfachen Menschen in Sizilien zu leiden haben, nimmt der Zuspruch aus der Bevölkerung ohnehin immer mehr ab …
Kritik:
Mit seinem 1969 veröffentlichten Mafia-Epos „Der Pate“ wurde der italienische Schriftsteller Mario Puzo – nicht zuletzt durch Francis Ford Coppolas meisterhafte Verfilmung – weltberühmt. 1984 legte er mit „Der Sizilianer“ einen weiteren Mafia-Roman vor, der allerdings in Sizilien und nicht Amerika spielt und die Mafia auch nur insofern thematisiert, als sich Salvatore Giuliano zunächst mit ihr verbündet, dann aber sowohl Mafia, Kirche und Regierung gegen sich aufbringt. Puzo schrieb eine der über vierzig Biografien des sizilianischen Volkshelden, der nach der Invasion der Alliierten auf Sizilien im Jahr 1943, seine Familie zunächst dabei unterstützte, Schmuggelware auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Ebenso wie Puzo verfilmte Cimino nur die Lebensgeschichte Giulianos von 1943 bis zu seinem Tod im Jahr 1950. Zwar gelingt ihm wie schon bei „Die durch die Hölle gehen“, „Heaven’s Gate“ und „Im Jahr des Drachen“ eine atmosphärisch stimmige Beschreibung der Lebensverhältnisse der Menschen zu jener Zeit in Sizilien, wo sich „nie etwas ändert“, bettet die Geschichte sogar in einen größeren gesellschaftlichen Kontext von Politik, Kirche und Mafia, doch geht er dabei längst nicht mehr so in die Tiefe wie in früheren Werken. Dafür steht dann Salvatore Giuliano auch zu sehr im Mittelpunkt seiner Geschichte, die eine fast schon Verehrung seines Wirkens darstellt.
Im Gegensatz zu Schauspielern wie Robert De Niro, John Savage, Jeff Bridges und Mickey Rourke, die zuvor in Ciminos Filmen die seelischen Nöte ihrer Figuren großartig zu transportieren verstanden, nimmt man Christopher Lambert („Highlander“, „Subway“) die Rolle des sizilianischen Robin Hood allerdings nicht so recht ab, und auch Barbara Sukowa („Homo Faber“, „Rosa Luxemburg“) wirkt als überkandidelte amerikanische Herzogin fehl am Platz. Selbst so namhaften Nebendarstellern wie Terence Stamp und John Turturro bleibt kaum Raum, den ihren Figuren etwas Kontur zu verleihen. Darüber hinaus präsentiert „Der Sizilianer“ eine vor allem mit grandiosen Bildern fesselnde Geschichte über die Verstrickungen von Mafia, Politik, Kirche und Gesellschaft, die natürlich wie schon bei „Der Pate“ ein blutiges Ende nehmen muss.
Hätte Cimino wie früher freie Hand bei der Umsetzung und Besetzung von Giulianos tragischer Lebensgeschichte gehabt und diese nicht auf 140 Minuten beschränken müssen, wäre wahrscheinlich wieder ein Meisterwerk entstanden. So präsentiert sich „Der Sizilianer“ als halbgares Portrait eines zwiespältigen Volkshelden, der die armen Menschen zwar am Reichtum der Großgrundbesitzer teilhaben lassen wollte, aber offensichtlich für den Tod von über 400 Menschen verantwortlich gewesen sein soll.
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