Das Phantom im Paradies

Brian De Palma ist vor allem durch seine frühen Thriller-Erfolge wie „Sisters – Schwestern des Bösen“, „Dressed to Kill“ und „Der Tod kommt zweimal“ als legitimer Hitchcock-Erbe bekannt geworden, doch begonnen hat er seine Regie-Karriere mit Komödien wie „Greetings – Grüße“, „Hi, Mom!“ und „Hilfe, ich habe Erfolg“. Nach seinem Durchbruch mit dem Thriller „Die Schwestern des Bösen“ (1972) legte er 1974 mit „Das Phantom im Paradies“ ein grelles Musical-Thriller-Drama vor, das so unterschiedliche – literarische - Einflüsse für Gaston Leroux‘ Klassiker „Das Phantom der Oper“, Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ und Goethes „Faust“ miteinander verbindet. 

Inhalt: 

Um seine Karriere in Schwung zu bringen, spielt der bislang unbekannte, aber begnadete Komponist und Sänger Winslow Leach (William Finley) beim ebenso geheimnisvollen wie erfolgreichen Musikproduzenten Swan (Paul Williams) vor. Der sieht in Winslows noch unvollendeter Pop-Kantate „Faust“ so viel Potenzial, dass er sie ihm kurzerhand stiehlt und als seine eigenen ausgibt. Als Winslow nach einem Monat noch immer keine Rückmeldung von Swan erhalten hat, sucht er ihn in dessen Plattenfirma Death Records auf, wo er in ein Vorsingen für Swans „Faust“ hineinplatzt und die Sängerin Phoenix (Jessica Harper) kennenlernt. 
Winslow fordert von Swan die Richtigstellung der Copyrights, doch Swan lässt den Komponisten von korrupten Polizisten wegen Drogenhandels abführen, worauf Winslow zu lebenslanger Haft in Sing Sing verurteilt wird. Im Radio hört Winslow von der geplanten Eröffnung von Swans neuem Musiktempel „Paradise“, zu der Swans Kantate uraufgeführt werden soll, worauf Winslow aus dem Gefängnis ausbricht. Beim Versuch, die Plattenproduktion von „Faust“ zu sabotieren, zerfetzt ihm die von einem Nachtwächter abgefeuerte Kugel erst die Stimmbänder, dann entstellt ihm eine Plattenpresse das Gesicht. 
Während Winslow nach seiner Flucht und dem Sturz in den East River für tot erklärt wird, hat er sich ein Kostüm mit raubvogelartigem Helm und Stimmenvocoder besorgt und treibt fortan hinter den Kulissen von „Paradise“ sein Unwesen. Swan überredet Winslow schließlich zu einer neuen Zusammenarbeit, lässt ihn einen Vertrag unterschreiben und sperrt ihn in sein Studio ein, damit er innerhalb einer Woche bis zur Eröffnung seines Clubs die Kantate beendet. Als Swan dem erschöpften Komponisten die letzten Seiten aus der Hand klaubt, lässt er ihn einmauern, versetzt die für den Lead Gesang vorgesehene Phoenix in den Background-Chor und engagiert mit dem schrillen Beef (Gerrit Graham) einen neuen Frontmann. Doch Winslow bricht auch aus dem Studio aus und setzt alles daran, Phoenix wieder als Hauptsängerin zu etablieren… 

Kritik: 

Mit „Das Phantom im Paradies“ hat Brian De Palma nicht nur ein kunterbunt-schrilles, auf ganz unterschiedlichen literarischen Quellen basierendes Rock-Musical inszeniert, sondern vor allem auch eine bissige Satire über das Unterhaltungsgeschäft abgeliefert. Am Beispiel des Komponisten Winslow, der Sängerin Phoenix und des diabolischen Plattenmoguls Swan zeigt der Film auf, wie Künstler durch Knebelverträge nicht nur ihre Kunst, sondern auch ihre Seele für den Erfolg verkaufen. Als Swan Phoenix fragt, was er von ihr denn bekommen würde, wenn er sie singen lässt, antwortet sie ohne zu zögern: alles! Natürlich kommt Swan auf dieses Angebot zurück und setzt damit eine Kettenreaktion in Gang, die in einer schaurigen Horror-Show auf der Bühne gipfelt. 
Bis dahin berauscht De Palma sein Publikum mit einem fetzigen Rock- und Pop-Soundtrack, grellen Farben und Kostümen. Bei so viel Brimborium bleibt kaum Raum für die zarte Romanze, die sich zwischen Winslow und Phoenix abzuzeichnen beginnt, wird sie durch Swans intriganten Machenschaften ohnehin sofort im Keim erstickt. De Palma hält sich nicht groß bei den Charakterisierungen seiner Figuren auf. Sie sind allesamt Stereotypen der Rollen, die sie verkörpern: den unbekannten und unscheinbaren, aber genialen Komponisten, die naive, aber überaus talentierte Sängerin und der erfolgshungrige, nach ewiger Jugend strebende Plattenproduzent. Sie werden von einer gesichtslosen Menge an Musikern flankiert, die auf Swans Bühne ebenfalls nach den Sternen greifen wollen, aber ebenso verpuffen wie die Hits der Juicy Fruits, als Swan beschließt, den Nostalgie-Trip für beendet zu erklären. 
Mit Winlows Rachefeldzug auf den Spuren von Leroux‘ „Phantom der Oper“ gegen Swan begibt sich De Palma schließlich auf das Terrain von Hitchcock. Die Duschszene aus „Psycho“ findet dabei ebenso Verwendung wie der Splitscreen, und zum Ende hin fließt auch noch grelles Giallo-Blut. Dario Argento engagierte übrigens Phoenix-Darstellerin Jessica Harper anschließend für seinen Film „Suspiria“. Dass De Palmas Film im Vergleich zu der wenig später gestarteten „The Rocky Horror Picture Show“ weit weniger populär geworden ist, kann nur überraschen. An der fehlenden Qualität von „Das Phantom im Paradies“ liegt es schließlich nicht.  

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