Schwarzer Engel

Brian De Palma hat bereits mit seinem ersten Thriller – „Sisters – Die Schwestern des Bösen“ (1972) - seinem großen Vorbild Alfred Hitchcock seine Referenz erwiesen. Nach dem grotesken Horror-Musical „Das Phantom im Paradies“ (1974) widmete sich De Palma mit „Schwarzer Engel“ (1976) erneut einigen von Hitchcocks Lieblingsthemen - Betrug, Schuld, Täuschung und die Doppelung von Charakteren und Ereignissen - und schuf einen weichgezeichneten Thriller mit einem dramatischen Score von Hitchcocks langjährigen Komponisten Bernard Herrmann
Bildquelle: Amazon Prime Video

Inhalt: 

Der erfolgreiche Immobilienkaufmann Michael Courtland (Cliff Robertson) feiert in seinem Haus mit seiner Frau Elizabeth (Geneviève Bujold) und etlichen Gästen im Jahr 1959 in New Orleans den zehnten Hochzeitstag, als nach einem Toast seines Freundes und Geschäftspartners Robert Lasalle (John Lithgow) Courtlands Frau und ihre gemeinsame Tochter Amy aus dem Schlafzimmer entführt werden. Courtland ist bereit, die halbe Million Dollar Lösegeld zu zahlen, doch lässt er sich von der Polizei dazu überreden, den Geldkoffer mit Falschgeld und einem Sender zu bestücken. So macht die Polizei zwar den Aufenthaltsort der Gangster ausfindig, aber als die Entführer den Betrug entdecken, flüchten sie mit ihren Geiseln. Während der Verfolgungsjagd stößt der Fluchtwagen mit einem Tankwagen auf der Brücke zusammen, fällt ins Wasser und explodiert. Leichen können allerdings nicht geborgen werden. Courtland fühlt sich verantwortlich für den Tod seiner Liebsten, überlässt Lasalle die Hauptverantwortung für die Firma und errichtet auf einem riesigen Grundstück ein Mahnmal für Elizabeth und Amy, das der Kirche San Miniato al Monte in Florenz nachempfunden ist, wo Courtland Elizabeth kennengelernt hat. 15 Jahre später begleitet Courtland Lasalle auf eine Geschäftsreise nach Florenz, wo sie sich an den Kunstwerken berauschen und auch die Kirche besuchen, die als Vorbild für das Mahnmal diente. Dort trifft er mit Sandra (Geneviève Bujold) eine junge Kunsthistorikerin, die Elizabeth wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Courtland kann die junge Frau bei gemeinsamen Essen und Besuchen bei Sandras schwerkranker Mutter für sich einnehmen und nimmt sie mit nach New Orleans, wo es an die Hochzeitsvorbereitungen gehen soll. Doch dann wird auch Sandra entführt. Die Geldübergabe soll wie bei der ersten Entführung vonstattengehen, und diesmal will Courtland alles richtig machen … 

Kritik: 

Eigentlich hatte Brian De Palma den bekannten Drehbuchautoren Paul Schrader („Taxi Driver“) damit beauftragt, ein Treatment auf der Grundlage von Dostojewskis „Der Spieler“ zu schreiben, doch als De Palma und Schrader im Kino Hitchcocks „Vertigo“ gesehen hatten, arbeiteten sie gemeinsam eine Geschichte aus, die sich thematisch an den Spannungs-Klassiker orientieren sollte. Während Hitchcock allerdings die Spannung eher aus den Dialogen und der sparsam eingesetzten Musik erzeugte, macht De Palma von Beginn an vor allem mit den stilisierten Bildern seines Kameramannes Vilmos Zsigmond („Der Tod kennt keine Wiederkehr“, „Die durch die Hölle gehen“) klar, dass Courtland in einer Traumwelt lebt, in der Elizabeth und Sandra zu einer Person verschmelzen. Cliff Robertson („Spider-Man“, „Flucht aus L.A.“) verkörpert den schuldbewussten wie romantischen Immobilienkaufmann absolut glaubwürdig. Zsigmond ist mit seiner bewegten Kamera stets dicht bei ihm, umkreist ihn und später auch Sandra mit 360°-Bewegungen der Kamera, lässt sie durch lange Plansequenzen schreiten, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers fesseln, und am Ende sorgen sogar Zeitlupenaufnahmen für den besonderen Spannungs-Kick. Daneben nutzen De Palma und Zsigmond das Breitwandformat aus, um die Architektur von New Orleans und Florenz prächtig zum Ausdruck zu bringen, wobei New Orleans mit der Finanzwelt korrespondiert, Florenz mit seinen Kunstschätzen in den Vordergrund rückt. 
„Schwarzer Engel“ ist ein Film geworden, an dem man sich nicht sattsehen kann, so schön sind die Bilder geworden, die aber keinen Zweifel daran lassen, dass Courtland jeglichen Realitätssinn verloren hat. Die Auflösung der Geschichte spottet allerdings jeglicher Beschreibung. Zwar hatte auch Hitchcock kein Problem mit Sprüngen in der Logik, wenn es der Spannungserzeugung dienlich war, doch gelang dem „Master of Suspense“ stets, dieses Manko mit filmischen Mitteln auszugleichen. 
Bei „Obsession“ – so der Originaltitel – kommt es allerdings zu einem starken Bruch zwischen der Glaubwürdigkeit der Story und den verklärten, überbelichteten und morbiden Bildern, die Zsigmond so grandios in Szene gesetzt hat. Beim Publikum kam der Film jedoch gut an und ermöglichte De Palma, anschließend größere Filme wie die Stephen-King-Verfilmung „Carrie“ und „Teufelskreis Alpha“ zu drehen. 

Kommentare

Beliebte Posts