Die durch die Hölle gehen

Dank seines Mentors Clint Eastwood erhielt Drehbuchautor Michael Cimino („Lautlos im Weltraum“, „Dirty Harry II – Callahan“) 1974 die Chance, mit der Adaption seines eigenen Drehbuchs zu „Die Letzten beißen die Hunde“ sein Regiedebüt zu feiern. Vier Jahre später holte er mit dem Antikriegsdrama „Die durch die Hölle gehen“ zum großen Schlag aus. Das dreistündige Epos wurde 1979 mit fünf Oscars (u.a. für die Beste Regie und den Besten Film) ausgezeichnet und zählt bis heute zu den eindringlichsten Filmen über die Traumata, die ein Krieg bei den Beteiligten und ihren Angehörigen hinterlässt. 

Inhalt: 

Die drei russisch-stämmigen Stahlarbeiter Michael (Robert De Niro), Steven (John Savage) und Nick (Christopher Walken) aus dem Provinzstädtchen Clairton, Pennsylvania, haben sich als Patrioten freiwillig für den Armeedienst für ihr Vaterland gemeldet und stehen 1968 kurz vor ihrem Abmarsch in den Vietnamkrieg. Ausgelassen feiern sie noch die russisch-orthodoxe Hochzeit von Steven und der von einem anderen Mann schwangeren Angela (Rutanya Alda). Michael schmachtet derweil die attraktive Supermarkt-Verkäuferin Linda (Meryl Streep) an, die sich allerdings an dem Abend noch mit Nick verlobt, nachdem sie den Brautstrauß gefangen hat. 
Am nächsten Tag gehen Michael und Nick mit ihren Freunden noch einmal als „Deer Hunters“ auf die Jagd nach Weißwedelhirschen. In Vietnam müssen die drei Freunde erleben, wie nordvietnamesische Soldaten unschuldige vietnamesische Bauern, vor allem Frauen und Kinder, töten, bevor sie in Gefangenschaft des Vietcong geraten. Zusammen mit anderen traumatisierten Gefangenen zwingt der Vietcong die drei zu einem bestialischen „Spiel“, in dem sie sich nacheinander einer Art russischem Roulette unter einem Bild Ho Chi Minhs aussetzen müssen. Michael aber findet eine Möglichkeit, dem selbstmörderischen Spiel des Vietcong zu entkommen. Als die drei Freunde an einem Baumstamm geklammert den Fluss entlangströmen, kann Nick durch einen US-amerikanischen Hubschrauber gerettet werden, Mike und Steven fallen allerdings von den Kufen wieder ins Wasser. Steven verletzt sich dabei so schwer, dass er später beide Beine verliert und in einem Veteranenhospital landet. Mike ist der Einzige, der scheinbar unversehrt in seine Heimatstadt zurückkehrt, doch lässt er die Willkommens-Party absichtlich ohne ihn stattfinden, verbringt die Nacht in einem Motel und kehrt erst am Morgen zurück, wo Linda ihn erwartet. Da Nick in Vietnam geblieben ist, wo er weiterhin an der vietnamesischen Version des russischen Roulettes teilnimmt, versucht sich Linda mit Mike zu trösten, doch ohne seine Freunde fühlt sich Mike nicht wie zuhause. Er holt Steven aus dem Krankenhaus nach Hause und fliegt nach Vietnam zurück, um Nick zur Besinnung zu bringen … 

Kritik: 

„Die durch die Hölle gehen“ ist vor allem deshalb ein ungewöhnliches Antikriegs-Drama, weil Cimino in drei Stunden kaum auf die Gefechtshandlungen in Vietnam eingeht, sondern sich vielmehr auf die Gegenüberstellung des Vorher und des Nachher konzentriert. Der Filmemacher, der wieder selbst an der Story zu Deric Washburns („Ausgelöscht“, „Grenzpatrouille“) Drehbuch mitgearbeitet hat, nimmt sich über eine Stunde Zeit, um das Leben der drei Freunde zu beschreiben, bevor sie in den Krieg ziehen. Dazu zählt die harte Arbeit im Stahlwerk ebenso wie das ausgelassene Trinken und Billard-Spielen in Johns (George Dzundza) Bar und die stimmungsvolle Hochzeit von Steven und Angela. Zwar gibt es hier schon Hinweise auf das spätere Unglück, doch sind die Männer zu sehr eingefleischte Patrioten, um sie zu erkennen. Als Steven und Angela beispielsweise gemeinsam aus zu einem Kelch verbundenen Gläsern trinken, ist dem Brautpaar der Tradition nach nur Glück beschieden, wenn dabei nichts verschüttet wird. Dass einige Tropfen auf Angelas Brautkleid landen, bemerkt niemand. Und auch als Michael am Tresen einen uniformierten Soldaten auf Heimaturlaub anspricht, werden dessen einsilbigen Schmähkommentare nicht weiter hinterfragt. 
Nach dem Motto „Serving God and country proudly“ auf dem Spruchband ziehen Mike, Nick und Steven voller Stolz und unbekümmert in den Krieg, wo sie durch Zufall wieder zusammengeführt werden. Cimino interessiert sich dabei nicht für den Stellvertreterkrieg, den die sowjetischen Kommunisten und die amerikanischen Kapitalisten in Vietnam führen, zeigt keine ausufernden Gefechte. Er bleibt bei seinen drei Protagonisten und ihrer ganz persönlichen Sichtweise. Es genügen wenige erschütternde Momente, um das sinnlose Grauen des Krieges zu veranschaulichen. Der Wurf einer Granate in ein Versteck voller Frauen und Kinder, das perfide russische Roulette, das die Sinnlosigkeit des Krieges mehr veranschaulicht als jedes Feuergefecht. 
Dieses Roulette-Spiel steht auch stellvertretend für die Traumata, die der Krieg bei den Beteiligten hinterlässt. Der zuvor schon eher schüchterne Steven will einfach nicht den Mut aufbringen, den Revolver abzudrücken. Von Mike immer wieder angefeuert, drückt er schließlich ab, ein Schuss löst sich, doch rutscht Steven mit der Waffe ab und überlebt das Spiel mit einem Streifschuss, muss aber wieder in den Wasserkäfig. Als Mike den Einsatz auf drei Kugeln im Revolver erhöht, gelingt es ihm und Nick schließlich, ihre Peiniger zu überwältigen und zu fliehen, doch dieses Roulette-Spiel hat ihr Leben für immer verändert. Das macht Cimino im dritten Teil seines Films deutlich. Wenn Mike in seiner Uniform als Einziger nach Hause kommt, ist die Wiedersehensfreude der in der Stadt Zurückgebliebenen groß, doch Mike fühlt sich fremd in seiner eigenen Haut, kann sich nicht mal auf eine Beziehung mit Linda einlassen, die selbst eher Trost als Liebe sucht. Steven fühlt sich unter seinen Leidensgenossen im Krankenhaus so wohl, dass er die Rückkehr in sein normales Leben scheut. Seine Frau bringt kein Wort mehr heraus. Die beeindruckendste Szene liefert Cimino vielleicht nach Michaels Rückkehr nach Saigon, wo er seinen Freund Nick in einer Spielhölle aufstöbert. Nick hat mit seinem Leben abgeschlossen, erkennt seinen alten Freund nicht mal wieder. Immer wieder exerziert er das Glücksspiel mit dem russischen Roulette durch, wenn auch von Drogen betäubt. Es ist kein Leben mehr, das zu leben wert ist. Als Nick schließlich in seiner Heimat beerdigt wird, herrscht Sprachlosigkeit. Am Ende wird nur über kurz über das Wetter gesprochen, leise „God bless America“ intoniert. Es ist der Versuch, sich einander Trost zu spenden in einer Zeit, die mehr zerstört hat, als es vorher jemand ahnen konnte. Das wird auch deutlich, wenn Michael wieder auf die Jagd geht. Galt für ihn stets die Prämisse, den Hirsch mit einem Schuss zu erlegen, lässt er ihn diesmal am Leben – in der Hoffnung auf eine bessere Welt, in der man nicht zu töten gezwungen wird. Dadurch, dass Cimino „Die durch die Hölle gehen“ auf eine sehr persönliche Perspektive der Beteiligten fokussiert hat, macht er die Schrecken des Krieges umso eindringlicher. Dabei profitiert er von packenden Darsteller-Leistungen, der einfühlsamen Musik von Stanley Myers und der grandiosen Kameraarbeit von Vilmos Zsigmond („Sugarland Express“, „Menschen am Fluss“). 

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