Crimson Tide
Nachdem Tony Scott von Beginn seiner Regiekarriere an dafür gescholten wurde, Hochglanzfilme ohne erzählerische Tiefe zu drehen, überraschte er 1993 mit der Verfilmung eines Drehbuchs von Quentin Tarantino. Das romantische Road-Movie-Thriller-Drama „True Romance“ wurde zwar kein Wendepunkt, aber doch so etwas wie ein Meilenstein in Tony Scotts Filmschaffen, denn auch sein nachfolgender Film hatte mehr zu bieten als visuell berauschend inszenierte Action. Gene Hackman und Denzel Washington liefern sich an Bord eines mit nuklearen Interkontinentalraketen bestückten U-Boots ein packendes Psycho-Duell.
Inhalt:
Als russische Nationalisten eine nukleare Raketenbasis in Kamtschatka besetzen, wird auch die Besatzung des Atom-U-Bootes USS Alabama in Alarmbereitschaft gesetzt. Captain Frank Ramsey (Gene Hackman) muss seinen krankheitsbedingt verhinderten Ersten Offizier ersetzen und bekommt Korvettenkapitän Ron Hunter (Denzel Washington) an seine Seite gestellt, ein Freund des ebenfalls mitfahrenden Offiziers Weps (Viggo Mortensen).
Auf dem Weg zur feindlichen Basis wird schnell deutlich, dass Ramsey als Hardliner die Meinung des preußischen Militärwissenschaftlers von Clausewitz vertritt, der Krieg als höchste Form der Selbstbehauptung eines Volkes ansah, während Harvard-Absolvent Hunter einen Krieg möglichst vermeiden möchte. Die Situation im Nordpazifik spitzt sich zu, als die russischen Nationalisten auch die Abschusscodes für die nuklearen Interkontinentalraketen dechiffriert haben und die Raketen innerhalb einer Stunde zum Abschuss bringen können. Die Vorbereitungen auf einen möglichen Präventivschlag werden durch ein russisches U-Boot erschwert, das sich offensichtlich unter dem Kommando der Rebellen befindet und Torpedos auf die USS Alabama abfeuert. Zwar kann das US-amerikanische U-Boot den Torpedos ausweichen, doch werden die Kommunikationseinrichtungen beschädigt, so dass ein weiterer wichtiger Funkspruch des National Military Command Center aus dem Pentagon nur unvollständig empfangen werden kann. Hunter weigert sich daraufhin, seine zum Abschuss der eigenen Raketen notwendige Zustimmung zu geben, da er in dem unvollständig empfangenen Funkspruch einen Widerruf des Abschussbefehls vermutet.
Während Hunter jedoch unbedingt auf die Übermittlung des vollständigen Funkspruchs warten will, drängt Ramsey angesichts der knappen Zeit auf das Abfeuern der eigenen Raketen. Hunter gibt dazu jedoch nicht seine Zustimmung und enthebt Ramseys seines Kommandos. Damit sind jedoch nicht alle an Bord einverstanden. Lieutenant Dougherty (James Gandolfini) sorgt für die Freilassung des inhaftierten Captains und scharrt weitere Offiziere um sich, Hunters Meuterei rückgängig zu machen, darunter auch Hunters Freund Weps…
Kritik:
Michael Schiffer („Projekt: Peacemaker“, „Colors – Farben der Gewalt“) und Richard P. Henrick („S.O.S. – Angriff auf das Traumschiff“) haben die Story zu „Crimson Tide“ wenig spektakulär in die Zeit des Kalten Krieges angesiedelt und das Szenario durch die Bedrohung atomarer Interkontinentalraketen auf die Spitze getrieben. Dank der routinierten Regie von Tony Scott („Der Staatsfeind Nr. 1“, „Beverly Hills Cop II“) und der beiden herausragenden Darsteller Denzel Washington und Gene Hackman bietet „Crimson Tide“ allerdings dramatische U-Boot-Dramatik vor dem Hintergrund eines möglichen Atomkriegs, der das Leben von Millionen von Menschen auslöschen würde.
Gene Hackman („French Connection“, „Erbarmungslos“) verkörpert noch die alte Garde des Militärs. Er ist ein Mann schneller Entscheidungen und interessiert sich wenig für das politische Geplänkel, das zu einer kriegsähnlichen Bedrohung geführt hat, und ist bereit, das Notwendige ohne große Überlegungen in die Wege zu leiten, auch wenn dabei Dienstvorschriften verletzt werden. Dagegen verkörpert Denzel Washington („Philadelphia“, „Training Day“) einen gebildeten, nachdenklichen Offizier, der so bedeutende Befehle wie den Abschuss von Atomraketen erst nach Vorlage aller verfügbaren Informationen zu geben bereit ist. Aus diesem Gegensatz speist sich die ganze Spannung des Films, wobei Washington und Hackman allein durch ihre ausdrucksstarke Mimik das Psycho-Duell gestalten. Angereichert durch ein wenig Unterwasser-Action mit Torpedo-Abschüssen, Ausweichmanövern und schwer zu behebenden Schäden an Bord der USS Alabama bietet „Crimson Tide“ wunderbar fotografierte, von Hans Zimmer pathetisch untermalte U-Boot-Action, die zwar nicht ganz die Qualität von Klassikern wie „Das Boot“ und „Jagd auf Roter Oktober“ aufweist, aber weit über den sonstigen Genre-Beiträgen angesiedelt ist.
„Crimson Tide“ bedeutete zudem den Anfang einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen Denzel Washington und Tony Scott, die erst durch den Freitod des Regisseurs im Jahr 2012 beendet wurde.
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