The Gray Man
Die beiden Brüder Anthony und Joe Russo haben in den 2000er Jahren vor allem an Fernsehserien wie „LAX“, „Arrested Development“, „Happy Endings“ und „Animal Practice“ gearbeitet, bevor sie nach der Liebes-Komödie „Ich, Du und der Andere“ (2006) mit dem Marvel-Abenteuer „The Return of the First Avenger“ (2014) so richtig durchstarteten. Nach drei weiteren Avenger-Filmen stellte ihnen der Streaming-Anbieter Netflix satte 200 Millionen Dollar für die Verfilmung von „The Gray Man“ zur Verfügung, dem Auftaktroman einer Bestsellerreihe von Autor Mark Greaney. Im Fahrwasser der „James Bond“- und „Jason Bourne“-Filmreihen bietet „The Gray Man“ eine wilde Agentenhatz quer durch die USA, Europa und Asien.
Seit der Serienmörder Court Gentry (Ryan Gosling) aus dem Knast heraus von Donald Fitzroy (Billy Bob Thornton) für die CIA rekrutiert wurde, erledigt er als Auftragskiller Sierra Six unter dem Radar unerwünschte Personen. Als ihn der CIA-Operationsleiter Denny Carmichael (Regé-Jean Page) für einen neuen Auftrag nach Thailand schickt, führt Six den Auftrag nicht wie abgesprochen aus, sondern stellt sich dem gut bewachten Zielobjekt im Zweikampf.
Kurz bevor Sierra Six sein Opfer erledigt, erfährt er, dass sein Gegenüber ebenfalls zur Sierra-Truppe gehört, und nimmt nach dessen Ableben einen USB-Stick an sich, der Beweise für Carmichaels kriminelle Machenschaften enthält.
Da Sierra Six nicht gewillt ist, seinem Boss den Stick zu übergeben, setzt der skrupellose Operationsleiter den berüchtigten Soziopathen Llyod Hansen (Chris Evans) auf den abtrünnigen Killer an. Doch selbst seine waffenstarke Privatarmee schafft es nicht, Six in Prag auszuschalten, weshalb Hansen Six‘ Mentor Fitzroy und dessen herzkranke Tochter Claire (Julia Butters) in seine Gewalt bringt und sie als Köder benutzt. Im Kampf gegen Hansen steht Six jedoch nicht alleine dar.
Die CIA-Agentin Dani Miranda (Ana de Armas) hat schon lange genug von Carmichaels Führungsstil und versorgt Six nicht nur mit wichtigen Informationen…
Kritik:
Nach der Reihe von Marvels „Avenger“-Filmen verkleinerten Anthony und Joe Russo für die Netflix-Produktion zwar den Maßstab ihrer Superhelden, doch der Action blieben sie sich dabei treu. Mit dem in dem Genre routinierten Kameramann Stephen F. Windon („Fast & Furious 5-9“, „G.I. Joe – Die Abrechnung“) und ihrem Haus-Komponisten Henry Jackman haben sie die richtigen Handwerker ins Boot geholt, um die an sich wenig originelle Geschichte eines Auftragskillers, der selbst ins Visier seiner Brötchengeber gerät, adäquat in Szene zu setzen.
Tatsächlich sorgen die rasanten Szenenwechsel von Langley, über Bangkok, Berlin, Baku, Prag und London ebenso für Tempo wie die zahlreichen Action-Sequenzen. Sowohl Ryan Gosling („Drive“, „The Big Short“) als auch der entfesselt aufspielende Chris Evans („The Return of the First Avenger“, „Free Guy“) geben ein überzeugendes Duo ab, das sich bis auf die Knochen bekämpft. Allerdings wird das Action-Spektakel allzu oft von erklärenden Dialogen aufgebläht, die dem Plot eine erzählerische Dimension verleihen sollen, die er gar nötig hat. Und im Gegensatz zu den wunderbar choreografierten Kampfsequenzen der jüngeren „James Bond“- und „Jason Bourne“-Abenteuer wirken die entsprechenden Szenen in „The Gray Man“ etwas hastig zusammengeschnitten.
Wirklich spektakulär ist hier nur die Großoffensive von Hansens Privatarmee in Prag gelungen, als Six selbst angekettet an ein Geländer den Kopf aus der Schlinge zu ziehen vermag. Bei der furiosen Jagd kommt die zwischenmenschliche Ebene der Geschichte leider etwas kurz. Dabei hätte die Beziehung zwischen Six, seinem Mentor und dessen kränkelnder Tochter alle Möglichkeiten eröffnet, auch eine emotionale Komponente auszuspielen.
So bleibt Billy Bob Thornton („Goliath“, „The Man That Wasn’t There“) die undankbare Aufgabe eines Katalysators, der die Hauptfigur einführt und letztlich verantwortlich für die finale Konfrontation mit Hansen ist. Ein ähnliches Schicksal teilen auch Ana de Armas („James Bon 007 – Keine Zeit zu sterben“, „Blade Runner 2049“) und Jessica Henwick („Matrix Resurrections“, „Love and Monsters“) als CIA-Agentinnen in der zweiten Reihe. Der schicke Look, das rasante Tempo, die coolen Locations und die gut ausgewählten Darsteller machen „The Gray Man“ dennoch zu einem sehenswerten Action-Thriller, der das Zeug zu einem erfolgreichen Franchise hat.
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