House of Gucci
Der britische Filmemacher Ridley Scott hat in seiner langjährigen Karriere immer wieder Interesse an historischen Stoffen und auf „wahren Begebenheiten“ beruhenden Geschichten gezeigt, doch war ihm bei der Umsetzung des Materials weniger an akkurater Wiedergabe der Ereignisse und ihrer Hintergründe gelegen als an der Dramatik, die sich aus den gegensätzlichen Perspektiven der Protagonisten entwickelt hat. Im Fall von Sara Gay Fordens Sachbuch „The House of Gucci“ dürften es die innerfamiliären Konflikte gewesen sein, die zum Auftragsmord an Maurizio Gucci im März 1995 geführt haben, die Scott zur schillernden Leinwandadaption mit imposantem Cast inspirierten.
Anfang der 1970er Jahre lernt Patrizia Reggiani (Lady Gaga) auf einer Kostümparty den Jurastudenten Maurizio Gucci (Adam Driver) kennen, der als Einziger ohne Kostüm hinter der Bar steht und deshalb von der Tochter eines Transport-Unternehmers zunächst für den Barkeeper gehalten wird. Als sie erfährt, dass Maurizio der designierte Erbe des Modeimperiums von Familienpatriarch Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) ist, stellt sie dem unscheinbaren jungen Mann so lange nach, bis er sich in sie verliebt und sie zu heiraten beabsichtigt. Maurizios Vater hält Patrizia allerdings für eine Frau, die es nur auf das Geld der Guccis abgesehen hat, und setzt Maurizio vor die Tür, als dieser an seinen Heiratsabsichten festhält.
Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet Maurizio im Unternehmen von Patrizias Vater, bis Rodolfos in New York lebender Bruder Aldo (Al Pacino) seinen Neffen wieder zurück ins Unternehmen führt. Tatsächlich entwickelt Maurizio ein gutes Gespür für das Modegeschäft und etabliert Gucci als erfolgreiche Luxus-Modemarke. Dabei lässt Patrizia immer wieder geschickt ihren Einfluss spielen, um ganz nach oben zu kommen, und benutzt Maurizios risikofreudigen Cousin Paolo (Jared Leto) als Schachfigur im Kampf um die Herrschaft über das Mode-Imperium.
Als Maurizio jedoch genug von den Intrigen seiner Frau hat, reicht er die Scheidung ein und beginnt eine Beziehung mit seiner alten Jugendfreundin Paola (Camille Cottin). Doch so einfach lässt sich Patrizia nicht aufs Abstellgleis schieben. Zusammen mit der prominenten TV-Wahrsagerin Pina Auriemma (Salma Hayek) entwickelt sie einen Plan, wieder ihre alte Machtposition bei Gucci einzunehmen…
Kritik:
Nach „Alles Geld der Welt“ (2017), in dem Scott die 1973 in Rom begangene Entführung des US-amerikanischen Milliardärsenkels John Paul Getty III. thematisierte, basiert also auch „House of Gucci“ auf einem wahren Kriminalfall im Milieu der Superreichen. Allerdings geht es hier nicht um die Aufklärung des Verbrechens, sondern erzählt die Vorgeschichte vor allem aus der Perspektive von Patrizia und Maurizio Gucci, wobei Lady Gaga („Sin City 2: A Dame to Kill For“, „A Star Is Born“) mit ihrer leidenschaftlichen Performance das mehr als zweieinhalbstündige Drama energisch vorantreibt und ihre Co-Akteure nahezu allesamt in den Schatten stellt.
Während Jeremy Irons als unnachgiebiges Familienoberhaupt zu schnell dahinscheidet, um bemerkenswerte Akzente zu setzen und Adam Driver („The Last Duel“, „Marriage Story“) recht blass bleibt, ist es an dem sichtlich gealterten Al Pacino („Der Duft der Frauen“, „Im Auftrag des Teufels“), dem jungen Gucci-Paar in New York eloquent den Weg zu Einfluss und Macht zu bereiten. Am besten nutzt allerdings der mit Halbglatze und extravagantem Outfit kaum wiederzuerkennende Jared Leto („Requiem for a Dream“, „Dallas Byers Club“) als verstoßener Designer seine Leinwandzeit, um etwas Pep in die etwas seelenlos wirkende und vorhersehbare Story zu bringen. Natürlich gelingt es dem visuell so behände agierenden Scott mit seinem Kameramann Dariusz Wolski („Neues aus der Welt“, „Der Marsianer“), die luxuriöse Umgebung, in der sich die Guccis bewegen, adäquat in Szene zu setzen, von der Disco-Atmosphäre in den 1970ern mit entsprechendem Soundtrack über die wunderbaren Landschaftsaufnahmen in der Toskana bis zu den Palästen und Luxus-Apartments des Gucci-Clans.
Doch außer Glanz und Gloria bietet „House of Gucci“ nicht viel Substanzielles, weder Einblicke in den Prozess der Modekreation im Luxus-Segment noch in das von reiner Profitgier gezeichnete Seelenleben der Protagonisten. So bietet Scotts True-Crime-Biopic in schicken Kulissen einen bunten Haufen mehr oder weniger exzentrischer Figuren, die fast bis zur Grenze der Karikatur um die Marke Gucci streiten. Für ein Drama mit zweieinhalb Stunden Spielzeit ist das leider etwas dürftig.
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