Spy Game

Im Gegensatz zu seinem großen Bruder Ridley Scott hat Tony Scott keine Genre-prägenden Meisterwerke geschaffen, dafür war er in visueller Hinsicht immer am Puls der Zeit, lieferte mit „Begierde“ eine neuzeitliche Version der Vampir-Thematik, mit „Top Gun“ rasantes Action-Kino für die MTV-Generation und mit „True Romance“ ein ebenso blutiges wie romantisches Road Movie, mit dem Scott bewies, dass er auch faszinierende Geschichten über die rein visuelle Ebene hinaus zu erzählen versteht. Nach dem hochaktuellen Überwachungs-Thriller „Der Staatsfeind Nr. 1“ beschäftigte sich Scott zwar auch mit seinem nachfolgenden Film „Spy Game“ mit den Geheimdiensten, stellte aber die neue Weltordnung nach dem Zerfall der Sowjetunion in den Mittelpunkt. 

Inhalt:

Einen Tag vor seiner Pensionierung erfährt der CIA-Agent Nathan Muir (Robert Redford), dass sein einstiger Schützling Tom Bishop (Brad Pitt) bei einem gescheiterten Befreiungsversuch in einem chinesischen Gefängnis erwischt worden ist und in 24 Stunden exekutiert werden soll. Angesichts der bevorstehenden Reise des US-Präsidenten nach China will die CIA keine diplomatischen Verwicklungen riskieren, die folgen würden, wenn die CIA Bishop als einen ihrer Agenten bezeichnen würde. Zwar würde das die Freilassung des zum Tode Verurteilten bewirken, doch würde seine Tat als „unfreundlicher Akt“ deklariert werden, der das vor dem Abschluss stehende Handelsabkommen zwischen den USA und China gefährden könnte. 
Muir soll der CIA Hintergrundinformationen zu Bishop liefern, damit sie es vor sich und einem möglichen Kongressausschuss rechtfertigen kann, Bishop geopfert zu haben, da dieser offensichtlich auf eigene Faust gehandelt hatte. Muir erinnert sich, wie er Bishop während des Vietnamkriegs kennengelernt hatte, wie er ihn nach dem Krieg durch die Abkommandierung nach Ost-Berlin isolierte und zermürbte, bis er für gefährliche Einsätze auf der ganzen Welt bereit gewesen war. Als sie während des libanesischen Bürgerkriegs einen Anschlag auf einen Islamistenführer verüben sollten, lernte Bishop die britische Ärztin Elizabeth Hadley (Catherine McCormack) kennen und verliebte sich in sie, was die Operation zu gefährden drohte. Muir fand heraus, dass Hadley eine international gesuchte Terroristin ist, die an einem Bombenanschlag auf die chinesische Botschaft in London beteiligt war, und sorgte dafür, dass der chinesische Geheimdienst Hadley entführen und inhaftieren konnte, während er Bishop glauben ließ, dass Hadley ihn verlassen habe. 
Muir hat nach all den Jahren noch immer ein schlechtes Gewissen und versucht, nicht nur die CIA zu überlisten, sondern auch auf eigene Faust ein Team der Navy SEALs zu aktivieren, um Hadley und Bishop zu befreien… 

Kritik: 

Auch wenn es Tony Scott in „Spy Game“ spürbar langsamer angehen lässt als noch in „Der Staatsfeind Nr. 1“, bleibt er sich doch insofern treu, als er mit unterschiedlichen Kameraperspektiven, Farbfiltern und Schnitten einen sehr dynamisch wirkenden Film präsentiert, der zumindest Schauspiel-Legende Robert Redford („Die drei Tage des Condor“, „Die Unbestechlichen“) genügend Raum gibt, seine Figur auszufüllen. Und nach der temporeichen Einstiegssequenz, in der Bishops Rettungsmission knapp scheitert, lässt es Scott auch immer wieder in den Rückblicken ordentlich krachen. 
Doch der Regisseur macht keinen Hehl daraus, dass die Machtkämpfe innerhalb der CIA ebenso gefährlich sind wie die Einsätze im Ausland, aber Muir ist eben ein Agent der alten Schule, gewitzt, raffiniert, klug und besonnen. Während Brad Pitt kaum Gelegenheit bekommt, seiner Figur psychologische Tiefe zu verleihen, und letztlich ein austauschbares Opfer innergeheimdienstlicher Affären verkörpert, darf Redford all seine Erfahrung und sein Charisma ausspielen, um die Intrigen in den eigenen Reihen zu unterlaufen und seinen eigenen Mann vor der Hinrichtung zu bewahren. 
Sein Nathan Muir weiß noch, wo die Grenzen zwischen Gut und Böse verlaufen und wie man sich seinen eigenen Leuten und Verbündeten gegenüber verhält. Mit dem Ende des Kalten Krieges sind offensichtlich nicht nur die Grenzen zwischen Freund und Feind verschwommen, sondern auch die Art und Weise des Umgangs mit bedrohlichen Situationen. 
Wie Muir gelassen und überlegt seine meist weitaus jüngeren Kollegen ausspioniert, um an wichtige Informationen zu Bishops Rettung zu gelangen, und seine eigene Rolle in der Angelegenheit geschickt verschleiert, zählt zu den unterhaltsamsten Moment eines raffiniert inszenierten Thrillers, in dem Scott einmal mehr seine Abneigung gegen die Geheimdienste zur Schau trägt. In dem visuell wieder packenden Agenten-Drama verkörpert ein großartiger Robert Redford noch die guten alten Tugenden von Ehre und Gewissen in einer Welt ganz unterschiedlicher Bedrohungen – von außen ebenso wie von innen.  

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