The Last Duel
Ridley Scott hat es nach seinem Debüt mit dem Historienfilm „Die Duellisten“ (1977) und seinen zwei wegweisenden Science-Fiction-Meisterwerken „Alien“ (1979) und „Blade Runner“ (1982) stets verstanden, munter zwischen verschiedenen Genres zu jonglieren. Mit seinem 2021 entstandenen Historien-Epos „The Last Duel“ kehrt er in gewisser Weise wieder zu seinem Anfang zurück. Auch diesmal geht es um ein Duell auf Leben und Tod, doch im Mittelpunkt der auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte geht es um die Selbstbestimmung einer Frau, die das gegen sie erwirkte Vergehen gesühnt sehen will.
Die beiden miteinander befreundeten Knappen Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver) haben in den 1370er-Jahren gemeinsam im Krieg für den französischen König gekämpft, dann aber unterschiedliche Wege eingeschlagen: Während der nicht allzu helle de Carrouges immer wieder sein Geschick an den Waffen auf den Schlachtfeldern beweisen musste, um die Abgaben für seine Ländereien bezahlen zu können, macht der intellektuell und gesellschaftlich bewanderte Jacques schnell Karriere am Hof des lebenslustigen Grafen Pierre d'Alençon (Ben Affleck), einem Cousin des Königs Charles IV (Alex Lawther).
Dass die Frau des Grafen bereits mit dem achten Kind schwanger ist, hält den amüsierfreudigen Grafen jedoch nicht davon ab, seinen privaten Harem zu unterhalten, in dem sich auch Le Gris an der Seite seines Gönners gern vergnügt.
Jean de Carrouges hat dafür das Glück, die attraktive Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) zu ehelichen und als Mitgift wertvolle Ländereien ihres Vaters Sir Robert de Thibouville (Nathaniel Parker) zu erhalten. Doch dann legt sich de Carrouges gleich zweimal mit d'Alençon an. Zunächst klagt er auf Rückgabe des Landes, das der Graf Le Gris für geleistete Dienste überließ, dann fordert er seinen ehemaligen Freund sogar zum Duell. Als Jean de Carrouges für eine Woche nach Paris reisen musste, um Schulden einzutreiben, nutzte Le Gris dessen daheimgebliebener Frau einen Überraschungsbesuch ab und vergewaltigte sie in ihrer Kammer. Marguerite wahrt entgegen der üblichen Praxis kein Stillschweigen, erzählt ihrem Mann von Le Gris‘ Vergehen und hofft darauf, dass ihr Gemahl die rechtlichen Schritte einleitet, die ihr als Frau verweht sind. Da die Aussichten auf ein gerechtes Urteil durch den Grafen durch dessen enger Verbindung mit dem Angeklagten aber verschwindend gering sind, fordert Jean de Carrouges beim König ein Duell auf Leben und Tod…
Kritik:
Ridley Scotts Historienfilm basiert auf dem Buch „The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France“ des US-Amerikaners Eric Jager, das die beiden Freunde Matt Damon und Ben Affleck zusammen mit Nicole Holofcener („Genug gesagt“, „Can You Ever Forgive Me?“) für die Leinwand umgeschrieben haben. Scott eröffnet seinen Film mit einigen Szenen aus dem titelgebenden Duell, dessen Ausgang aber erst zum Schluss offenbart. Dazwischen erzählt Scott die Geschichte wie Akira Kurosawas Klassiker „Rashomon“ (1950) aus mehreren Perspektiven, wobei zu Beginn des dritten Kapitels, als die Version der geschändeten Ehefrau präsentiert wird, klar wird, dass diese die eigentliche Wahrheit darstellt.
Bei der Aneinanderreihung der Blickwinkel des im Laufe des Geschehens sogar zum Ritter geschlagenen Jean de Carrouges, des gebildeten und verführerischen Jacques Le Gris und der schönen Marguerite de Carrouges bringt Scott jeweils wenig neue Informationen ins Spiel, sondern macht deutlich, dass es oft nur winzige Details sind, die die Wahrnehmung der Ereignisse beeinflussen.
Durch das eloquente Auftreten von Marguerite stellt Scott auch gleich einen Bezug zur nach wie vor aktuellen #metoo-Debatte her, macht durch das Verfahren der Rechtsprechung damals auch deutlich, welch immenses Risiko Marguerite mit ihrer Anschuldigung einging. Die erhält sie auch aufrecht, als sie erfährt, dass der Ausgang des Duells als ein Gottesurteil über die Wahrheit gilt. Sollte ihr Mann das Duell verlieren, hätte sie gelogen und würde als Ehebrecherin zum Tode durch Verbrennen verurteilt werden.
Auch wenn zunächst die Beziehung zwischen Jean de Carrouges und Jacques Le Gris im Mittelpunkt der Geschichte steht, wie sie aus Freunden, die im Krieg füreinander einstanden, zu Feinden werden, die sich in einem Duell einen Kampf auf Leben und Tod liefern, ist es letztlich Marguerite, um die sich alles dreht. Tatsächlich bietet Jodie Comer („Free Guy“, „Killing Eve“) die differenzierteste und eindrucksvollste Performance aller Darsteller. Nicht nur in den unterschiedlichen Versionen der Vergewaltigung an sich zeigt sie ganz unterschiedliche Facetten ihrer Figur, auch in dem Umgang mit ihrem Mann einerseits und dem gefälliger und selbstbewusst auftretenden Le Gris beweist die Schauspielerin ihr Können. Dagegen wirkt Matt Damon („Stillwater“, „Die Bourne Identität“) mit seiner mittelalterlichen Vokuhila-Frisur und dem gänzlich humorlosen Gebaren wie der sprichwörtliche Tölpel, der durch die unerwartete Heirat mit einer schönen Frau mehr Glück im Leben hat als erwartet. Adam Driver („Paterson“, „Marriage Story“) spielt den ebenso gebildeten wie lustvoll genießenden Le Gris mit sichtbarer Freude, während der skandinavisch blondierte Ben Affleck als frohsinniger Graf auch einige wundervolle Szenen hat.
Inszenatorisch hat „The Last Duel“ tatsächlich erst im Finale Großes zu bieten. Dann erfährt das letzte offizielle Duell auf französischem Boden eine Wucht, wie sie selbst ein so in Schlachtenbildern und Kämpfen so erprobter Regisseur wie Ridley Scott noch nicht inszeniert hat.
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