Top Gun
In den 1980er Jahren wollte eigentlich niemand mehr den Vietnam-Krieg thematisiert wissen, weshalb das Genre des (Anti-)Kriegsfilms bis dahin auch keine nennenswerten Beiträge mehr hervorgebracht hatte. Michael Ciminos „Die durch die Hölle gehen“ (1979) schien in dieser Hinsicht das Schlusswort gehabt zu haben. Doch ab 1986 begannen gleich mehrere Filmemacher, sehr kritische Werke hervorzubringen. Während Stanley Kubrick mit „Full Metal Jacket“ (1987), Brian De Palma mit „Die Verdammten des Krieges“ (1989) und Oliver Stone mit „Platoon“ (1986) und „Geboren am 4. Juli“ (1989) das Grauen des Krieges und vor allem die psychischen Nachwirkungen bei den Soldaten in den Fokus rückten, wählte Tony Scott 1986 mit „Top Gun“ einen gänzlich anderen Ansatz und inszenierte einen vom US-amerikanischen Militär großzügig gesponserten Werbe-Clip in Spielfilmlänge voller testosterongeschwängerter Action.
Inhalt:
Bei einem Einsatz im Indischen Ozean wird Lieutenant Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise), Kampfpilot bei der United States Navy, damit beauftragt, ein in den Luftraum des Flugzeugträgers eingedrungenes unidentifiziertes Flugzeug abzufangen. Die feindlichen Radarsichtungen werden als zwei Kampfflugzeuge vom Typ MiG-28 identifiziert.
Nicht zuletzt durch Mavericks gewagtes Manöver, in umgedrehter Flugposition über einem der feindlichen Flieger ein Polaroidfoto vom Piloten zu schießen, führt dazu, dass die MiGs abdrehen und sein wegen einer Panikattacke flugunfähiger Wingman „Cougar“ (John Stockwell) sicher zurück zum Flugzeugträger geleitet werden kann. Dass Maverick dabei etliche Befehle seines Kommandanten Stinger (James Tolkan) missachtet, bringt ihm zwar eine Rüge durch seinen Vorgesetzten und seinen Partner Nick „Goose“ Bradshaw (Anthony Edwards) ein, der eine Familie zu versorgen hat, doch führt es die beiden Freunde auch ins renommierte Ausbildungsprogramm der United States Navy Fighter Weapons School, genannt „Top Gun“.
Dort lernt er mit dem Ausbilder Viper (Tom Skerritt) nicht nur einen Freund seines Vaters kennen, der 1965 während des Vietnamkriegs abgeschossen wurde und seitdem als vermisst gilt, sondern verliebt sich auch in die Astrophysikerin Charlie (Kelly McGillis).
Maverick, der sich durch sein undiszipliniertes Verhalten bereits mehrere Degradierungen und Verwarnungen eingehandelt hat, macht sich mit seiner draufgängerischen Art vor allem bei dem Flugschüler Tom „Iceman“ Kazanski (Val Kilmer) unbeliebt, wenn er zwar Flugduelle auch gegen den Ausbilder Leutnant Commander Rick „Jester“ Heatherly (Michael Ironside) gewinnt, aber immer wieder Einsatzregeln missachtet und sich nicht als teamfähig erweist…
Kritik:
Bereits mit der ersten Einstellung, einem herrlichen Sonnenaufgang, der mit warmen Farben den Flugzeugträger im Indischen Ozean in ein verträumtes, märchenhaftes Licht taucht, macht deutlich, wie bemüht Tony Scott um einen wirkungsvollen visuellen Eindruck ist. Ähnlich wie er mit seinem Regiedebüt „Begierde“ die ausgetretenen Pfade des Vampir-Dramas verlassen hatte und einen neuen Ansatz präsentierte, ohne eine packende Geschichte dazu zu liefern, bewegt er sich auch mit „Top Gun“ zwar im Genre des Kriegsfilms, doch steht hier die Action eindeutig im Vordergrund, ohne dass dabei viel geschossen wird.
Der Plot und die Charaktere sind dabei nur schwach definiert. Maverick wird als draufgängerischer Pilot portraitiert, dem das ungewisse Schicksal seines Vaters noch nachhängt und in dessen Fußstapfen er treten will. Es scheint, dass er das Trauma des verlorenen Vaters nur überwinden kann, wenn er als Bester den „Top Gun“-Lehrgang absolviert. Sein Können kann er schließlich nicht nur im Training unter Beweis stellen, sondern auch im echten Kampfeinsatz, wobei die Sowjetunion in den fiktiven MiGs zwar nicht explizit als feindliche Nation benannt wird, es aber auch nicht viel Phantasie braucht, um das Feindbild so zu besetzen.
Doch die Flugduelle mit den feindlichen MiGs sind nur der dramatische Höhepunkt des Action-Spektakels. Im Mittelpunkt steht eher die Präsentation eines Images, nämlich das des selbstbewussten Helden, der nicht nur entscheidende Schlachten gewinnen, sondern auch die schönsten Frauen rumkriegen kann. Tony Scott hat sein mit atemberaubenden Flugmanövern angereicherten Action-Kracher nämlich auch reichweitenoptimiert mit einer Romanze versehen, die immer wieder von der Oscar-prämierten Ballade „Take My Breath Away“ von Berlin, komponiert von Harold Faltermeyer, untermalt wird, der auch den elektronischen Score beigesteuert hat.
Für Tom Cruise und Val Kilmer bedeutete „Top Gun“ einen enormen Karriereschub, für Kilmer, der eigentlich nicht vorhatte, in dem Film mitzuwirken, wurde es sogar der erfolgreichste Film in seiner Laufbahn. Doch die adrenalin- und testosterongeschwängerte Action können ebenso wenig wie die stilisierten Bilder und der poppige Soundtrack über die sehr dünne, klischeebeladene Story hinwegtäuschen. Für unterhaltsames Popcorn-Kino ist „Top Gun“ mit dem jungen Tom Cruise aber immer noch gut. Und das Produzenten-Duo Don Simpson/Jerry Bruckheimer kam nach „Beverly Hills Cop“ und „Top Gun“ (der bei einem Budget von 15 Millionen Dollar weltweit über 350 Millionen Dollar einspielte) so richtig auf den Geschmack, großes Blockbuster-Kino zu finanzieren.
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