Mann unter Feuer
Nachdem Denzel Washington und Regisseur Tony Scott bereits in dem 1995 inszenierten U-Boot-Thriller-Drama „Crimson Tide“ bewiesen hatten, wie gut sie miteinander harmonieren, entwickelte sich ab 2004 mit dem Revenge-Drama „Mann unter Feuer“ eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den beiden. Allerdings zählt das gleichnamige Remake des Actionfilms von 1987 mit Scott Glenn in der Hauptrolle zu den schwächeren Werken ihrer gemeinsamen Werksbiografie.
Der ehemalige FBI-Agent und Antiterror-Experte John W. Creasy (Denzel Washington) ist ausgebrannt und alkoholabhängig. Als er seinen alten Freund Paul Rayburn (Christopher Walken) in Mexiko-City besucht, vermittelt er dem offensichtlich suizidgefährdeten Mann einen Job als Leibwächter bei dem Geschäftsmann Samuel Ramos (Marc Anthony) an, dessen neunjährige Tochter Pita (Dakota Fanning) er beschützen soll. Schließlich sind Entführungen in Mexiko an der Tagesordnung und für das organisierte Verbrechen ein lohnendes Geschäft.
Ramos‘ Frau Lisa (Radha Mitchell) und Pita fassen sofort Vertrauen zu dem neuen Leibwächter, der noch sehr in sich gekehrt wirkt und schließlich einen Selbstmordversuch unternimmt. Die 9-mm-Patrone zündet allerdings nicht. Das anschließende Telefonat mit Rayborn bringt Creasy wieder in die Spur zurück. Allmählich freundet er sich sogar mit dem aufgeweckten Mädchen an, schlüpft sowohl in die Rolle des Schwimm-Trainers als auch der wegen Geschäftsreisen oft abwesenden Eltern. Als er Pita zu einer privaten Klavierstunde fährt und auf die wartet, sperren Polizeifahrzeuge die kleine Straße ab. Bevor die Gangster Pita in ihre Gewalt bringen, tötet Creasy zwei der korrupten Polizisten, wird aber selbst schwer verletzt. Während der ehemalige Interpol-Beamte Manzano (Giancarlo Giannini) die Ermittlungen übernimmt, erfährt der sich langsam wieder erholende Creasy durch die unerschrockene Journalistin Mariana Garcia Guerrero (Rachel Ticotin), dass die Bruderschaft „La Hermandad“ hinter der Entführung steckt. Als sie zehn Millionen US-Dollar Lösegeld von Samuel Ramos fordert, drängt sein Anwalt Jordan Kalfus (Mickey Rourke) auf die Zahlung des Geldes. Doch die Übergabe läuft schief, das Geld wird gestohlen, der Neffe des Bandenchefs wird beim Schusswechsel zwischen Polizisten und Geiselnehmern getötet. Als der Bandenchef verkündet, dass damit auch Pitas Schicksal besiegelt sei, macht sich Creasy daran, die Entführer dafür bezahlen zu lassen…
Kritik:
Zuletzt hatte Tony Scott mit den hochkarätig besetzten Spionage-Thrillern „Der Staatsfeind Nr. 1“ und „Spy Game“ bewiesen, dass er nicht nur schicke Bilder, sondern auch interessante Geschichten erzählen kann, selbst wenn diese zum großen Teil über den visuellen Stil transportiert werden. Die erste Stunde seines Rache-Dramas „Mann unter Feuer“ knüpft an diese Tradition an, nutzt Scott die ausgedehnte Exposition dazu, seinen Protagonisten in all seinen Facetten einzuführen.
Denzel Washington verkörpert überzeugend einen nahezu gebrochenen FBI-Veteran, dem die mit seiner Tätigkeit verbundenen Gräuel in den Alkohol getrieben haben, die allerdings kaum in der Lage sind, seine Dämonen auszutreiben. Gegenüber seinem neuen Arbeitgeber macht er keinen Hehl aus seinem Alkoholproblem, doch seinen Job wird es – der unterdurchschnittlichen Bezahlung angemessen - nicht beeinträchtigen, verspricht er.
Scott und sein Drehbuchautor Brian Helgeland („L.A. Confidential“, „Payback - Zahltag“) geben auch der beginnenden Freundschaft zwischen Creasy und seiner Schutzbefohlenen genügend Raum, dafür bleiben Pitas Eltern verhältnismäßig blass. Doch mit der Entführung von Pita kippt die Charakterstudie zum brutalen Revenge-Thriller, der recht uninspiriert Creasys Rachefeldzug gegen Pitas Peiniger herunterspult. Creasy arbeitet sich systematisch von einem Informanten zum nächsten, klettert langsam die Leiter bis zum Chef von „La Hermandad“ hinauf und macht keine Gefangenen.
Was Helgeland in seiner Adaption von A.J. Quinnells Roman, der auch schon die Vorlage für den Film von 1987 bildete, an Raffinesse und Überraschungsmomenten vermissen lässt, versucht Scott durch hohes Tempo, schnelle Schnitte, verzerrte und eingefrorene Bilder und übersättigte Farben auszugleichen. Dabei folgt „Mann unter Feuer“ nur noch den eingefahrenen Konventionen des Genres, ohne eigene Akzente zu setzen. Einzig die flotte elektronische Musik von Harry Gregson-Williams und die fast schon sakral anmutenden Vocals von Lisa Gerrard, die bereits Hans Zimmers Score zu „Gladiator“ veredelt hatte, sorgen für interessante Aspekte in einem viel zu langen Revenge-Thriller, in dem eigentlich nur Christopher Walken („Die durch die Hölle gehen“, „Catch Me If You Can“) in seinen wenigen Szenen und die junge Dakota Fanning („I Am Sam“, „Krieg der Welten“) schauspielerische Glanzpunkte verkörpern, während Denzel Washington als Racheengel in den letzten zwei Dritteln des Films völlig unterfordert ist.
Allerdings scheint er sich so für die erfolgreiche „The Equalizer“-Reihe qualifiziert zu haben, deren dritter Teil für 2023 angekündigt ist. Für Tony Scott stand er noch für dessen letzten drei Filme – „Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit“, „Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3“ und „Unstoppable – Außer Kontrolle“ – vor der Kamera.
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