Engel in Schwarz

Jean-Claude Brisseau ist vor allem durch die Erotik-Spielfilm-Reihe „Heimliche Spiele“ bekannt geworden, hat aber schon in den 1980er Jahren mit „Grausames Spiel“ (1983) und „Weiße Hochzeit“ (1989) sein Faible für dramatische Stoffe mit erotischem Flair unter Beweis gestellt. Sein 1994 inszeniertes Erotik- und Gesellschaftsdrama „Engel in Schwarz“ steht ganz in der Tradition des klassischen Film noir und präsentiert den 1960er Schlagerstar Sylvie Vartan als mit allen Wassern gewaschene Femme fatale. 

Inhalt: 

Stéphane Feuvrier (Sylvie Vartan), Ehefrau des angesehenen Richters Georges Feuvrier (Michel Piccoli), erschießt in dem Château ihres Ehemanns den Kriminellen Aslanian (Claude Faraldo), der ironischerweise erst vor einigen Monaten dank ihrer Hilfe aus dem Gefängnis entlassen wurde. Ihre langjährige Gesellschafterin Madeleine (María Luisa García) hilft der Dame des Hauses, die Tat als Notwehr auf eine versuchte Vergewaltigung zu inszenieren. Nachdem Stéphane erst die Polizei und dann das Gericht informiert hat, dass sie einen Mann getötet habe, bricht ihr Mann die gerade laufende Gerichtsverhandlung ab und fährt mit dem befreundeten Rechtsanwalt Paul Delorme (Tchéky Karyo) nach Hause. Stéphane erzählt den beiden Männern, noch bevor die Polizei eintrifft, Aslanian habe sich unter einem Vorwand Zutritt verschafft und dann versucht, sie zu vergewaltigen. Sie habe sich gewehrt und ihn erschossen. Weder ihre 16-jährige Tochter Cécile (Alexandra Winisky) noch Madeleine seien zu diesem Zeitpunkt im Haus gewesen. 
Die Umstände der Tat scheinen klar zu sein, doch dann erhält Paul einen Brief ohne Absender, in dem er aufgefordert wird, sich an den seit zehn Jahren pensionierten Richter Gérard Dumas (Henri Lambert) zu wenden. Als Aslanian zum ersten Mal im Gefängnis saß, soll Dumas seine vorzeitige Freilassung angeordnet haben, aber der Greis versichert Paul, seine Unterschrift sei damals gefälscht worden. Durch eine weitere anonyme Nachricht gelangt Paul an eine alte Fotografie mit einer Jugendlichen, die Stéphane sehr ähnlich sieht. Die Besitzerin des Fotos, Suzanne Pitot, erklärt, dass es sich um ihre Tochter Zoë handele, die vor 20 Jahren spurlos verschwunden sei. Paul bekommt während seiner Spurensuche ein ganz anderes, erschreckendes Bild von der Frau vermittelt, die er so abgöttisch verehrt hat… 

Kritik: 

Brisseau, der wie gewöhnlich auch für das Drehbuch zu seinem Film verantwortlich zeichnet, beginnt „Engel in Schwarz“ mit einem kaltblütigen Mord, der auf ebenso kaltblütige Weise als Notwehr nach einer versuchten Vergewaltigung inszeniert wird, worauf die Täterin, immerhin Ehefrau eines angesehenen Richters, äußerlich sehr gefasst den mutmaßlichen Tathergang schildert. Bereits dieser Auftakt offenbart tiefe Risse in der oberen Gesellschaftsschicht, die durch Paul Delormes Ermittlungen, die durch anonyme Hinweise geleitet werden, ein Geflecht von erotischen Beziehungen entblößt, in die der Anwalt selbst immer stärker verwickelt wird. 
Brisseau nutzt die Schnitzeljagd des Anwalts für ausgiebige, geschmackvoll in Szene gesetzte Bilder mit lasziv sich auf Betten windenden jungen Frauen, so dass man als Zuschauer nicht umhin kommt, die eigentlich angeprangerten Zustände in der Gesellschaft der Reichen, Schönen und Mächtigen durchaus für erstrebenswert zu halten. Der erotischen Inszenierung ist der gesellschaftskritische und nur in Ansätzen kriminalistische Plot vollkommen untergeordnet.  
Sylvie Vartan („Das Idol“, „Malpertuis“) überzeugt als kaltblütige Frau, die sich aus bescheidenen Verhältnissen nach oben geschlafen hat und nun mit der Hautevolee gnadenlos abrechnet und die ach so klugen Männer wie sabbernde Dummköpfe aussehen lässt. Als sinnlicher Erotikthriller funktioniert „Engel in Schwarz“ ganz gut, als gesellschaftskritischer Krimi weniger.  

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