Stavisky
Die Affäre um den ukrainischen Hochstapler und Betrüger Alexandre Stavisky (1886-1934), dessen Familie 1900 die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, erschütterte zu Beginn der 1930er Jahre die Dritte Französische Republik, was u.a. zum Rücktritt des Kolonialministers führte und die Korrumpierbarkeit der regierenden Radikalsozialistischen Partei offenbarte. Nachdem „Maigret“-Schöpfer Georges Simenon 1934 in seinen Reportagen vergeblich versucht hatte, Licht in die Affäre zu bringen, nahm sich der französische Meisterregisseur Alain Resnais („Hiroshima, mon amour“, „Letztes Jahr in Marienbad“) der Geschichte an und verfilmte sie 1974 mit Jean-Paul Belmondo in der Hauptrolle.
In den frühen 1930er Jahren hat es Alexandre alias Sascha Stavisky (Jean-Paul Belmondo) zu mächtigem Einfluss in der Pariser Gesellschaft gebracht. Er residiert in einem Luxushotel und weiß, die Schlüsselfiguren in Politik und Wirtschaft durch Schmiergeldzahlungen ebenso gefügig zu machen wie die Strafverfolgungsbehörden, so dass er unbehelligt ein Imperium aufbauen konnte, zu dem mittlerweile ein Theater, ein Rennstall, ein Pressekonzern und eine Bank zählen, mit der er seine international angelegten Gaunereien abwickelt. Dazu verwöhnt er seine begnadet schöne Frau Arlette (Anne Duperey) mit teuren Juwelen und Bergen von Blumen, doch ist es ein offenes Geheimnis, dass er auch mit anderen Frauen verkehrt, um seine Pläne zu verwirklichen.
Doch natürlich bleiben seine Betrügereien nicht allen verborgen. Inspektor Bonny (Claude Rich) vom Referat für Wirtschaftskriminalität ist ihm bereits auf den Fersen und fest entschlossen, den Hochstapler zu überführen.
Staviskys Anwalt Albert Borelli (François Périer) und Pierre Grammont (Pierre Vernier) vermögen es, lange Zeit, Schaden von ihm abzuwenden, zumal Chefinspektor Boussaud (Marcel Cuvelier) ebenso zu seinen Gunsten interveniert wie sein Arzt Dr. Mézy (Michael Lonsdale) und der einflussreiche Baron Jean Raoul (Charles Boyer)…
Kritik:
Auch wenn sich Alain Resnais in seiner filmischen Umsetzung der Stavisky-Affäre an der historischen Figur des populären Hochstaplers und Millionenbetrügers orientiert, legt er sich in seiner zweistündigen Biografie nicht fest, was den Umgang mit den Details der obskuren finanziellen Transaktionen angeht, die zu Staviskys Aufstieg und Fall geführt haben.
„Stavisky“ beginnt damit, dass der russische Revolutionär und Kommunist Leo Trotzki von der französischen Regierung 1932 Asyl gewährt bekommt und endet mit Staviskys Tod im Jahr 1934. Offiziell habe er Selbstmord begangen, doch schnell machen sich sowohl bei den links- als auch rechtsradikalen Kräften im Land Verschwörungstheorien um Staviskys Ermordung breit. Zwischen diesen beiden Eckpunkten beschreibt Resnais in eindrucksvollen Art-Deco-Kulissen das Leben und Wirken des charismatischen Verführers Stavisky. In dieser Paraderolle kann Jean-Paul Belmondo einmal mehr seine Schauspielkunst unter Beweis stellen. Als überzeugungskräftiger Charmeur hält er nicht nur seine geliebte Frau und den Baron bei Laune, sondern auch die Schaltstellen in der Justiz, Wirtschaft und Politik. Allerdings verweigert sich Resnais einer detaillierten Aufarbeitung, wie genau Staviskys Betrügereien funktioniert haben.
Ebenso wie der Baron, der offenherzig zugibt, nichts von dem zu verstehen, was ihm sein Freund zu erklären versucht, bekommt letztlich auch der Zuschauer keinen Einblick in die Mechanismen, mit denen Staviskys zumindest den Schein eines weltmännischen Unternehmers wahrt. Wie fragil dieses Lügengebilde jedoch ist, deutet Resnais mit verschiedenen Kniffen an, wenn etwa Staviskys gespaltene Persönlichkeit in den Ausführungen seines Psychiaters oder bei den immer wieder eingestreuten Zeugenaussagen zur Stavisky-Affäre thematisiert wird.
Resnais geht es also eher um die Art und Weise, wie sein Protagonist mit Charme, Schmiergeldzahlungen und Versprechungen die Fassade eines Mannes aufrechterhält, in dessen Nähe man gern gesehen wird in der Hoffnung, dass etwas von dem Glanz des Mannes auf einen selbst abfärbt.
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