Ein Prophet
Nach einem Messerangriff auf einen Polizisten wird der gerade mal volljährige, ganz auf sich allein gestellte Malik El Djebena (Tahar Rahim) zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Der in einem Heim aufgewachsene Franzose mit maghrebinischen Wurzeln passt sich ungewöhnlich schnell den Gepflogenheiten in der Haft an. Dass hinter den Mauern die korsische Mafia unter der straffen Führung des alternden Cesar Luciano (Niels Arestrup) das Sagen hat, muss Malik schnell am eigenen Leib erfahren: Der Don bietet Malik seinen Schutz an, wenn dieser einen Mithäftling umbringt.
Malik erledigt widerwillig den blutigen Job und kommt immer stärker in den Genuss angenehmer Hafterleichterungen. Zwar führt Malik auch alle weiteren Aufträge zufriedenstellend aus, wird aber von den Korsen nicht als einer der ihren akzeptiert. Malik arrangiert sich dafür geschickt mit den Arabern und legt, da er tagsüber von 7 bis 19 Uhr das Gefängnis verlassen und arbeiten darf, eine erstaunliche kriminelle Karriere hin, die ihm auch innerhalb der Gefängnismauern zunehmend Respekt verschafft. Malik lernt nebenbei lesen und allein durch Zuhören auch die korsische Sprache.
In seiner Zelle wird er von der Erscheinung seines getöteten Opfers heimgesucht und reflektiert so den gefährlichen Kampf ums Überleben im Knast. Als Cesars Gefolgsleute allesamt zu ihren korsischen Familien verlegt werden, ist für Malik die große Stunde gekommen.
Auf einer epischen Länge von zweieinhalb Stunden erzählt der gefeierte französische Regisseur Jacques Audiard („Der wilde Schlag meines Herzens“) in kühlen Bildern die erstaunliche
Gangsterkarriere eines blutjungen muslimischen Mannes, der sich psychologisch äußerst geschickt mit den Leuten zu arrangieren versteht, die seinen eigenen Plänen nützlich sind. Seine Spannung bezieht das stilsicher inszenierte Gangster-Epos aus den sozialen Konflikten innerhalb der französischen Immigranten-Gruppierungen. So verleiht er dem Film, der thematisch an Hollywood-Meisterwerke wie „GoodFellas“, „Der Pate“ und „Es war einmal in Amerika“ erinnert, ein ganz eigenes europäisches Flair und kann dabei auf erstklassige Darsteller bauen, von denen Tahar Rahim als unerschrockener Nachwuchs-Mafioso ebenso herausragt wie Niels Arestrup als Gangster-Boss, der allmählich seinen Einfluss verliert.
Die ungleiche quasi-Vater-Sohn-Beziehung zwischen den beiden bildet das fragile Gerüst, an dem sich das ausdrucksstarke, unprätentiöse Drama eindringlich entlanghangelt. Aber auch die Art und Weise, wie der zuvor sozial völlig isolierte Malik innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern das perfekte Gespür für den Umgang mit Gangstern jeglicher sozialer und religiöser Couleur entwickelt, treibt die jederzeit packende Geschichte bis zum nachhaltig wirkenden Schluss voran. Das ist großes Kino!
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