I Am Love
Seit Emma (Tilda Swinton) aus Russland von dem Mailänder Textilriesen Tancredi Recchi (Pippo Delbono) nach Italien gebracht worden ist, lebt sie in einer Atmosphäre von selbstverständlichem Luxus, der durch die drei wohlgeratene Kinder perfekt abgerundet wird. Als die Familie zum Geburtstag des Patriarchen (Gabriele Ferzetti) zum Festschmaus zusammenkommt, übergibt dieser seine Geschäfte wie erwartet an Tancredi, aber auch an dessen Sohn Edoardo (Flavio Parenti), der sich fortan mit seinem Vater über den richtigen Weg streitet, das traditionsreiche Unternehmen in die Zukunft zu führen.
Als Emma Edoardos Freund, den Koch Antonio (Edoardo Gabbriellini), kennenlernt, ist sie zunächst fasziniert von dessen innovativer Kochkunst, dann auch von ihm selbst. Die leidenschaftliche Affäre mit dem jungen Koch lässt Emma aus dem engen Korsett ihrer wohlgeordneten Familie ausbrechen, doch ausgerechnet Antonios Lieblingssuppe bringt das gefährliche Geheimnis ans Tageslicht.
Gleich nach der Fertigstellung ihres gemeinsamen Films "Tilda Swinton: The Love Factory" (2002) machten sich der italienische Regisseur Luca Guadagnino und die britische Ausnahmeschauspielerin Tilda Swinton ("Orlando", "Michael Clayton") ans Werk, um mit "I Am Love - Ich bin die Liebe" die Geschichte einer Frau zu inszenieren, die ihre längst gezügelten Leidenschaften neu entdeckt und auszuleben beginnt. Die edlen Bilder schweben dabei genussvoll über das durch und durch geschmackvolle Interieur der palastartigen Residenz, in der sich Tilda Swinton mit ihren schicken Kostümen elegant, aber stets beherrscht bewegt. Sie strahlt dabei eine souveräne Kompetenz aus, als hätte sie nie etwas anderes getan, als für den ordnungsgemäßen Ablauf in dem prächtigen Haus zu sorgen. Selbst die unerwartete Ankündigung von Edoardos Freundin bei der Familienzusammenkunft wird bedacht auf die Sitzordnung zu Tisch abgestimmt.
Von Beginn an ist die Kamera auf die selten so stilisiert in Szene gesetzte Tilda Swinton fokussiert, dass alle anderen Darsteller zwangsläufig verblassen müssen. Das trifft vor allem auf Emmas Ehemann zu, dem nicht viel mehr als eine Statistenrolle zugedacht wurde. Einzig Emmas Kinder Eduardo und Elisabetta (Alba Rohrwacher), die mit ihrem Geständnis ihrer Mutter gegenüber, eine Frau zu lieben, ebenfalls mit den Familienkonventionen bricht, dürfen sich noch behaupten, und dann natürlich Emmas Liebhaber, der durch Emmas begierige Augen beleuchtet wird.
Es sind dann auch die vielen ungeschminkten, offenen Sexszenen, die aus dem distanzierten Erzählduktus ausbrechen und die aufgebrochene Leidenschaft in außergewöhnlichen Bildern festhalten. Doch selbst diese entfesselten Blicke auf das lustvoll vereinte Paar können über etliche Längen des kunstvoll inszenierten Dramas nicht hinwegtäuschen. Es hätte dem Film sicher nicht geschadet, wenn außer Emma auch ihre Mitmenschen etwas mehr ins Zentrum der Erzählung gerückt worden wären, denn die wenigen Andeutungen in den Nebenhandlungen machen deutlich, dass auch Emmas Kinder interessante Geschichten zu erzählen hätten. So bleibt "I Am Love" eine aufreizende, auch überzeugende Tilda-Swinton-Show, die darüber hinaus aber recht unspektakulär ausgefallen ist.
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