The Outsider - Nach eigenen Regeln

Western sind eine klassische Männer-Domäne. Doch wenn gleich mehrere Frauen für die Inszenierung eines Westerns verantwortlich zeichnen, stehen die Chancen gut, dass auch das weibliche Publikum Gefallen an dem Genre findet, in dem klassischerweise starke Männer mit coolen Sprüchen, schnell gezückten Waffen und blanken Fäusten die Szenerie prägen. Der 2002 fürs Fernsehen entstandene Film "The Outsider" trägt aber gleich in mehrerer Hinsicht die Handschrift federführender Frauen. Die dem Film zugrundeliegende Romanvorlage stammt von Penelope Williamson, das Drehbuch verfasste Jenny Wingfield, das schließlich von Regisseurin Randa Haines ("Gottes vergessene Kinder", "Der Doktor – Ein gewöhnlicher Patient") konventionell, aber recht unterhaltsam umgesetzt wurde. 
Der skrupellose Rinderzüchter Fergus Hunter (John Noble) hat es auf das Land der Schafzüchterfamilie Yoder abgesehen. Weil sich die Amish-Familie aber nicht so ohne weiteres von ihrer Farm trennen will, muss die gottesfürchtige Rebecca (Naomi Watts) eines Tages ihren Mann erhängt an einem Baum finden. Hunter hofft, nun leichtes Spiel mit der Witwe zu haben, muss aber feststellen, dass sie dem berüchtigten Revolverhelden Johnny Gault (Tim Daly) Unterschlupf gewährt hat, damit sich dieser von einer Schussverletzung erholen kann. Von ihren Amish-Leuten wird diese Konstellation nicht gern gesehen, doch Gault scheint der einzige Mann zu sein, der Hunter und seinen Gaunern etwas entgegensetzen kann. 
Zwar entspricht die Konfrontation zwischen brutalen Räubern und der gottesfürchtigen Familie, der ein außenstehender Held beisteht, einer klassischen Western-Konstellation, doch unter Regie von Randa Haines rückt die gefahrvolle Auseinandersetzung schnell in den Hintergrund, um das persönliche Schicksal der Amish-Witwe in den Mittelpunkt zu stellen. 
Vor allem geht es um die Frage, ob sie ihr persönliches Glück bedingungslos dem Gemeinwohl opfern muss, was spätestens dann eine Entscheidung von ihr verlangt, als sie in flagranti beim Geschlechtsverkehr mit dem "Outsider" erwischt wird. Erst als diese Frage geklärt ist, kommt es zum Western-typischen Showdown, der dann aber recht unspektakulär wie eine lästige Pflichtaufgabe abgehakt wird. So liegen die Stärken des Fernseh-Westerns auch in der manchmal etwas langatmigen Entwicklung der Beziehungen, die Rebecca zu ihrer Familie und ihrer religiösen Gemeinschaft einerseits, zu dem herzensguten wie attraktiven Revolverhelden andererseits unterhält. 
Tim Daly ("Private Practice") und Naomi Watts, die ein Jahr später in "Ned Kelly" in eine ähnliche Rolle schlüpfen durfte, tragen diesen ungewöhnlichen Western souverän, in Nebenrollen sind David Carradine ("Kill Bill") als Arzt und sein Halbbruder Keith Carradine ("Choose Me – Sag ja!", "Dexter") als Rebeccas Verehrter zu sehen, aber alle Nebenrollen sind erschreckend eindimensional gezeichnet, was bei der schlechten Synchronisation noch schwerer zu Tage tritt. 
Davon abgesehen bietet "The Outsider" recht unblutige Western-Unterhaltung mit schönen Bilder und gut aufgelegten Hauptdarstellern.  

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