Loro - Die Verführten

Der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino ist in seiner Heimat der Mann für berauschende Bilder und satirisch gefärbte Blicke, mit denen er schonungslos die kruden Machenschaften der Politik („Il Divo – Der Göttliche“) und in der Kirche („The Young Pope“) aufdeckt. Mit seinem neuen Epos „Loro – Die Verführten“ nimmt er sich nun einen Mann vor, der wie kein anderer in den vergangenen zehn Jahren für die Korruption in Italien stand: Silvio Berlusconi.
Zwar ist 2008 die dritte Amtszeit von Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Toni Servillo) zu Ende gegangen, doch der ebenso reiche wie machtgierige Playboy genießt die Macht viel zu sehr, um sich mit einem Dasein im Hintergrund zufrieden zu geben. Dass der schwerreiche, extrem einflussreiche Unternehmer und Medientycoon bereits die Fäden zieht, um die aktuelle Regierung zu stürzen, kommt dem ambitionierten Bauunternehmer und Zuhälter Sergio Morra (Riccardo Scamarcio) sehr entgegen, hofft er doch, zusammen mit seiner Partnerin Tamara (Euridice Axen) durch eine Riesen-Party in Sichtweite zum Berlusconi-Anwesen dessen ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Plan scheint aufzugehen, denn der Presidente kann sich schwerlich von so viel schönen Frauen fernhalten, die Morra mit einem Haufen Koks aufgefahren hat. Während es Berlusconi vor allem auf die junge Studentin und angehende Schauspielerin Stella (Alice Pagani) abgesehen hat, will sich Berlusconis geliebte Ehefrau Veronica (Elena Sofia Ricci) nach 25 Jahren endlich von ihm scheiden lassen …
Toni Servillo („Gomorrha - Reise in das Reich der Camorra“, „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“) scheint die ideale Verkörperung für die korruptesten Politiker in Italien zu sein. Nachdem er bereits in Sorrentinos frühen Meisterwerk „Il Divo – Der Göttliche“ den berüchtigten italienischen Politiker Giulio Andreotti dargestellt hatte, schlüpft er nun ebenso überzeugend in die Haut des langjährigen, viermaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der 2013 wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilt und infolgedessen mit einem sechsjährigen Verbot der Bekleidung öffentlicher Ämter belegt wurde, das allerdings 2018 vorzeitig aufgehoben worden ist. „Loro – Die Verführten“ thematisiert allerdings weniger die politischen Geschäfte des größten Medienmoguls Europas, sondern skizziert nur sehr episodenhaft, wie Politiker und Unternehmer Berlusconis Unterstützung erbeten und ihm dafür gewisse Gefälligkeiten erweisen.
So gewinnt Morra in der Eröffnungsszene Berlusconis Aufmerksamkeit, als er bei einem gemeinsamen Bootsausflug eine junge Frau im Bikini per Motorboot herbeifahren lässt, damit sich der selbsternannte Playboy mit ihr unter Deck vergnügen kann. Diese Eingangssequenz setzt den Grundton für den weiteren Plot, der ganz darauf ausgerichtet ist, Morras unermüdliche Bemühungen zu beschreiben, die heißesten Frauen für Berlusconi zusammenzuscharen. Sobald die Party steigt, fährt Drehbuchautor und Regisseur Sorrentino zu Höchstform auf. In aufreizenden, leuchtenden Bildern lässt er Heerscharen von mindestens halbnackten jungen Frauen im Koksrausch tanzen und um Berlusconis Gunst buhlen, dass es eine sinnliche Freude ist, die bald aber auch Überdruss und Langeweile erzeugt. Interessanterweise steht Berlusconi hierbei gar nicht so sehr im Mittelpunkt. Sorrentino geht es eher um die Menschen, die dem mächtigsten Mann des Landes gefallen wollen, wofür Sergio Morra als Paradebeispiel fungiert und viele weitere Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft kurz erläutern dürfen, was sie sich von Berlusconi erhoffen, in der Regel die Erteilung von lukrativen Bauaufträgen, politischen Ämtern oder Schauspielrollen im Fernsehen.
Sorrentino verwehrt sich in „Loro“ dagegen, Berlusconi zu verurteilen. Tatsächlich erweist er dem Mann, der in dem Film nur Silvio oder Presidente genannt wird, durch dessen unverblümt ehrliche Weise sogar eine Art von anerkennendem Respekt. Viel eher geraten hier die schmierigen Buhler um die Gunst des mächtigen Mannes ins Visier. So wirkt „Loro – Die Verführten“ weniger wie ein stimmiges Portrait Berlusconis und seiner Machenschaften, sondern wie eine erschreckende Analyse der italienischen Gesellschaft, die so einem Populisten zur langjährigen Macht verholfen hat. Statt dabei in die Tiefe zu gehen, begnügt sich Sorrentino in dem zweieinhalbstündigen Werk allerdings mit einem exzessiven Bilderrausch, der eine zusammenhängende Geschichte vermissen lässt, aber fraglos die Sinne betört und schließlich überreizt.
"Loro - Die Verführten" in der IMDb

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