Sie möchten Giganten sein

Nachdem Paul Newman Ende der 1950er Jahre seine Schauspiel-Karriere mit Filmen wie „Ein Leben im Rausch“, „Der lange heiße Sommer“ und „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ kräftig ins Rollen gebracht hatte, versuchte er sich zwischen 1968 und 1987 auch gelegentlich als Regisseur. Nah seinem Regie-Debüt „Die Liebe eines Sommers“ erschien 1971 das Familiendrama „Sie möchten Giganten sein“, in dem Newman zusammen mit Henry Fonda und Lee Remick auch die Hauptrolle verkörperte.
Im Gegensatz zu den gewerkschaftlich organisierten Holzfällern in der Stadt hat Henry Stamper (Henry Fonda) stets auf seine Unabhängigkeit bestanden. Als die Gewerkschaftsfunktionäre einen flächendeckenden Streik beschließen, beobachten die zu Untätigkeit verdammten Holzfäller der Kleinstadt, wie Henry und seine Familie nach wie vor ihrer Arbeit nachgehen, weil die einen Vertrag zu erfüllen haben. Davon lässt sich das nach einem Unfall derzeit arbeitsunfähige Stamper-Familienoberhaupt ebenso wenig abbringen wie sein Sohn Hank (Paul Newman), der längst in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist. Dass der Handel und das örtliche Kino in der Stadt zugrunde gehen, weil niemand mehr Geld für außergewöhnliche Ausgaben zur Verfügung hat, stört die Stampers nicht, doch die Lage spitzt sich zu, als Hanks Halbbruder Leland (Michael Sarrazin) nach dem Tod seiner Mutter wieder nach Hause zurückkehrt. Er sieht nicht nur, dass Hanks Frau Viv (Lee Remick) in ihrer Ehe zunehmend vereinsamt, sondern steht der Starrköpfigkeit seines Vaters auch skeptisch gegenüber. Auch als die aufgebrachten Holzfäller mit Sabotageakten die Stampers zum Einlenken bewegen wollen, setzen die Streikbrecher alles daran, ihren Vertrag zu erfüllen. Doch für ihre unversöhnliche Haltung muss die Familie einen extrem hohen Preis zahlen …
Paul Newman hat „Sometimes a Great Notion“ – so der Originaltitel – nach dem Roman „Manchmal ein großes Verlangen“ von Ken Kesey inszeniert und in dem zweistündigen Familiendrama sehr viel Wert darauf gelegt, nicht nur die körperlich herausfordernde und lebensgefährliche Arbeit als Holzfäller einzufangen, sondern auch die Konflikte innerhalb der Familie und zwischen den Stampers und den vom Streik betroffenen Holzfällern in der Stadt sorgfältig herauszuarbeiten. Dabei wird vor allem deutlich, wie der charismatisch von Altstar Henry Fonda („Krieg und Frieden“, „Die 12 Geschworenen“) dargestellte Patriarch mit seinem Starrsinn die Familie auseinanderbrechen lässt und einen Keil zwischen die hart arbeitenden Männer und ihre über die Jahre desillusionierten, vereinsamten Ehefrauen treibt. Aber auch über die Grenzen der eigenen Familie hinaus sorgt das eigensinnige Gebaren der Stampers für Unmut. Bei Begegnungen mit der vom Holzfällen lebenden Bevölkerung in der Kleinstadt zeigen sich die Stampers von den berechtigten zum Ausdruck gebrachten existenziellen Sorgen unbeeindruckt.
Newman findet dabei ein gut funktionierendes Gleichgewicht zwischen der Schilderung des harten Arbeitsalltags und den psychologischen Dramen, die sich zwischen den Beteiligten abspielen, vor allem zwischen Henry und seinen beiden Söhnen Hank und Leland, aber auch den weiteren Familienmitgliedern wie Jo Ben Stamper (Richard Jaeckel, der für seine Darstellung mit einer Oscar-Nominierung belohnt wurde) und seiner Frau Jan (Linda Lawson).
Die stimmungsvolle Kameraarbeit von Richard Moore („Indianapolis“, „Der Gauner“) und der sparsam eingesetzte Score von Henry Mancini (dessen Titelsong „All His Children“ ebenfalls für einen Oscar nominiert worden ist) runden die überzeugenden Darstellerleistungen in diesem einfühlsamen Drama gekonnt ab, das in der Reihe „Hollywood Classics International“ bei Explosive Media (Koch Media) neu auf DVD und Blu-ray in einer vollständigen Fassung (mit deutschen Untertiteln zum Originalton) erscheint.
"Sie möchten Giganten sein" in der IMDb

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