Der Mann, den keiner kannte

Albert R. Broccoli ist vor allem als langjähriger Produzent der James-Bond-Filme bekannt geworden, doch bevor er 1962 erstmals den britischen Agenten „im Geheimdienst Ihrer Majestät“ die Welt retten ließ, co-produzierte er mit „Der Mann, den keiner kannte“ 1957 einen Krimi im Film-noir-Gewand, wobei sich bereits die Lust des Produzenten an exotischen Schauplätzen erkennen ließ. Vor allem ist der temporeiche Film mit Victor Mature, Anita Ekberg und Trevor Howard glänzend besetzt und allein schon deshalb mehr als einen Blick wert. 

Inhalt: 

In New York glaubt Helen (Dorothy Allison), die sich als Drogensüchtige ausgegeben hat, eine brauchbare Spur zum seit Jahren weltweit gesuchten, aber nicht identifizierten Drogenboss Frank McNally (Trevor Howard) gefunden zu haben. Aufgeregt versucht sie von ihrem Apartment aus, ihren bei der Drogenfahndung arbeitenden Bruder Charles Sturgis (Victor Mature) zu erreichen, erwischt aber nur dessen Boss Murphy (Lionel Murton) und berichtet ihm, dass sie weitere Informationen bei der anschließenden Verabredung mit dem Gesuchten zu erlangen hofft. Zwischenzeitlich hat McNally allerdings unbemerkt Helens Apartment betreten und ihr Telefonat belauscht. Nachdem sie den Hörer aufgelegt hat, erwürgt er sie und besucht eine Jazzbar, um sich bei Barmann Joe (Sidney James) nach dem Rechten zu erkundigen. Während McNally erfreut zur Kenntnis nimmt, dass die Geschäfte gut laufen, trifft Sturgis am Tatort ein, wo er nur noch die Leiche seiner Schwester identifizieren kann. Die Jagd nach dem Phantom McNally nimmt für Sturgis nun auch persönliche Züge an, sehr zum Missfallen seines Chefs. Als Interpol vermeldet, dass McNally auf dem Weg nach London ist, wo er sich um die nächsten Lieferungen in die USA kümmern muss, schickt er Sturgis ebenfalls nach Europa, wo McNally über ein gut funktionierendes Netzwerk verfügt. Vor allem die attraktive Gina Broger (Anita Ekberg) ist ihm dabei behilflich, Drogenlieferungen von einer europäischen Metropole am Zoll vorbei in andere Städte wie Rom, Athen und Lissabon zu transportieren. Sturgis ist McNally und seinen Leuten zwar immer dicht auf den Fersen, bekommt den raffinierten Gauner aber nie wirklich zu fassen … 

Kritik: 

Der britische Drehbuchautor und Regisseur John Gilling hat sich seit Beginn seiner Karriere auf Krimi-Dramen spezialisiert und nach „In den Fängen der Unterwelt“ (1953) und „Der Mann im Rücksitz“ (1954) mit „Der Mann, den keiner kannte“ (1957) ein Drehbuch von John Paxton verfilmt, der bereits für den Film-noir-Klassiker „Mord, mein Liebling“ (1944) verantwortlich gewesen war. Gilling erweist sich als versierter Routinier, beginnt den Film gleich mit einem Mord, der zum einen aufzeigt, wie skrupellos McNally bei seinen Geschäften zu Werke geht, zum anderen aber auch die Saat für die erbitterte Jagd nach ihm durch den Bruder des Mordopfers legt. Davon abgesehen präsentiert sich „Der Mann, den keiner kannte“ als Katz-und-Maus-Spiel, das beide Protagonisten durch halb Europa treibt. Tatsächlich verliert McNally im Verlauf der Abwicklung seines Coups, bei dem die Drogen in einem Kühlschrank per Schiff in die USA transportiert werden sollen, immer mehr die Souveränität eines nach wie vor unerkannten Gauners, denn Sturgis erweist sich als extrem hartnäckig, spannt sogar einheimische Spitzel ein, um über die schöne Gina an McNally heranzukommen. 
Bis dahin bekommt der Zuschauer wunderschöne Kulissen in den europäischen Metropolen zu sehen, die der langjährige James-Bond-Kameramann Ted Moore („James Bond jagt Dr. No“, „James Bond – Der Mann mit dem goldenen Colt“) in stimmungsvollen Schwarzweiß-Bildern eingefangen hat. Allerdings verliert die Hatz nach dem Drogenboss nach einer Weile ihre Dynamik. Außer den Sprüngen von einer Stadt zur anderen bringt die Geschichte nämlich wenig Neues zum Tragen. Beeindruckend ist aber vor allem Trevor Howard („Der dritte Mann“, „Gandhi“) in der Rolle des Drogenbosses, der sich zum Schluss aber wie ein Kleinkrimineller auf der Flucht verhält. 
„Der Mann, den keiner kannte“ ist nicht unbedingt ein Meisterwerk des Genres, aber durch die wunderbar eingefangenen Kulissen, die rasante Inszenierung und die gut aufgelegten Darsteller recht kurzweilig ausgefallen.  

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