Ministerium der Angst

Seit seinem Hollywood-Debüt mit „Blinde Wut“ (1936) hat der meisterhafte, in Wien geborene, 1933 nach Paris ins Exil geflüchtete und Mitte 1934 in die USA übergesiedelte Regisseur Fritz Lang („M: Eine Stadt sucht einen Mörder“, „Dr. Mabuse, der Spieler“, „Metropolis“) eine ganze Reihe von sehenswerten Film noirs wie „Gehetzt“, „Du und ich“, „Auch Henker sterben“ und „Gefährliche Begegnung“ inszeniert. Die Verfilmung des Graham-Greene-Romans „Ministerium der Angst“ (1944) zählt allerdings zu den eher schwächeren und unbekannteren Beiträgen des Filmemachers zu diesem Genre. 

Inhalt: 

Während sich England 1944 Luftangriffen der deutschen Wehrmacht ausgesetzt sieht, bereitet sich Stephen Neale (Ray Milland) auf seine Entlassung aus der Nervenheilanstalt Lembridge vor. Er wurde zu zwei Jahren Zwangsverwahrung dafür verurteilt, dass er seiner sterbenskranken Frau einen Gift-Cocktail verabreicht haben soll. Nun freut er sich, wieder unter Menschen zu kommen, und löst am Schalter eine Zugfahrkarte nach London. Da er noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges hat, besucht er den gegenüberliegend stattfindenden Wohltätigkeitsbasar der Mothers of the Free Nations, schätzt das Gewicht einer Torte und lässt sich dazu überreden, die Wahrsagerin (Aminta Dyne) zu besuchen. Nach dem üblichen unverbindlichen Voraussagen teilt sie Neale überraschend das genaue Gewicht der Torte mit, worauf er ein zweites Mal zum entsprechenden Stand geht und aufgrund seiner präzisen Angabe die Torte als Gewinner erhält. Aufgrund eines inszenierten Irrtums soll Neale die Torte wieder zurückgeben, doch kann er seinen Anspruch untermauern und mit der Torte ein leeres Zugabteil besteigen, das er wenig später mit einem Blinden (Eustace Wyatt) teilt. 
Neale bietet dem Mann ein Stück Torte an und beobachtet, wie dieser mit den Fingern den Kuchen zerbröselt. Als Neale durch das Fenster die Angriffe der Deutschen auf die Munitionsfabrik beobachtet, schlägt der vermeintlich Blinde Neale mit einem Stock nieder, zieht die Notbremse und flieht mit der Torte über das Feld, wo der Mann bald von einer deutschen Bombe zerfetzt wird. Neale lässt dieser Vorfall nicht los und betreibt Nachforschungen über die wohltätigen Damen, denen er die geheimnisvolle Torte zu verdanken hat, die offenbar mehr Zutaten als Zucker, Mehl und Eier enthält. Dabei lernt er das Geschwisterpaar Willi (Carl Esmond) und Carla (Marjorie Reynolds) kennen und wird fortan in eine Spionageaffäre verwickelt, bei der Neale als mutmaßlicher Mörder verfolgt wird, nachdem er bei einer Séance einen Mann namens Cost (Dan Dureya) erschossen haben soll. Der „Tote“ taucht allerdings wenig später als Schneider Travers wieder auf … 

Kritik: 

Fritz Lang hat sich als Fan von Graham Greene von Paramount für die Verfilmung von „Ministry of Fear“ engagieren lassen, war aber von Seton I. Millers („Scarface“, „Der FBI-Agent“) Drehbuch mehr als enttäuscht. Da er von dem Vertrag allerdings nicht mehr zurücktreten konnte, versuchte er das Beste aus der kruden Spionage-Story zu machen. Dabei schien ihm weniger an der glaubwürdigen Umsetzung des verwirrenden Plots gelegen zu sein als an der filmischen Inszenierung, bei der Lang und sein Kameramann Henry Sharp („Der gläserne Schlüssel“, „Der weiße Tiger“) virtuos in den Studiokulissen mit Licht und Schatten spielten. 
So liegt es an Film-noir-Profi Ray Milland („Der unheimliche Gast“, „Das verlorene Wochenende“), die hanebüchene Story, die nur unvermögend ihren Propaganda-Charakter verbergen kann, mit seiner charismatischen Präsenz das fragile Gerüst der Handlung zusammenzuhalten. Allerdings wirkt er letztlich wie eine unkoordiniert durch die fragwürdig hinter einer Wohltätigkeitsorganisation getarnten Spionageaktivitäten gehetzte Figur, die ihren Einsatz immerhin mit einem – ebenso aufgesetzten – Happy End versüßt bekommt. 
Da Lang den Film komplett im Studio realisierte, konnte er immerhin seine teils expressionistisch wirkenden Kameraeinstellungen voll zur Geltung bringen. Im Gesamtwerk von Fritz Lang fristet „Ministerium der Angst“ nicht von ungefähr eher ein Schattendasein, aber dank der vorzüglichen Kameraarbeit und Ray Millands überzeugender Darstellung ist dieser Film-noir-Beitrag dennoch sehenswert.  

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