Chicago Joe und das Showgirl

Seit Kiefer Sutherland in den 1980er Jahren als Jung-Star in James Foleys „Auf kurze Distanz“ und Rob Reiners Stephen-King-Verfilmung „Stand by Me“ (beide 1986) die Aufmerksamkeit auf sich zog, nahm seine Karriere bis in die 90er Jahre hinein ordentlich an Fahrt auf, wozu Hauptrollen in den beiden Neo-Western „Young Guns“ und „Blaze of Glory – Flammender Ruhm“ sowie Joel Schumachers Filmen „The Lost Boys“ und „Flatliners“ zählten. 1990 war er in der Film-noir-Hommage „Chicago Joe und das Showgirl“ von Bernard Rose zu sehen, doch zählt das Werk nicht zu den Höhepunkten in der Filmographie des Hollywood-Stars, der vor allem durch die Action-Serie „24“ wieder populär geworden ist. 

Inhalt: 

London, Oktober 1944. Die Tänzerin und Stripperin Georgina Grayson (Emily Lloyd) träumt von einer Karriere als Filmstar und nutzt jede Gelegenheit, reale Szenen in ihren Augen in eine Filmszene zu verwandeln, so auch in einem Café, wo sie sich mit dem Hehler Lenny Bexley (Keith Allen) trifft. Als ein junger Mann in US-Army-Uniform das Café betritt und Lenny mit einem Nicken begrüßt, macht Lenny seine Begleiterin darauf aufmerksam, dass es sich bei dem Soldaten um Ricky Allen (Kiefer Sutherland) handelt, der vor allem als Chicago Joe bekannt sei. 
Als sich Lenny zu Chicago Joe an den Tisch setzt, um Geschäftliches zu besprechen, legt der Soldat eine Pistole auf den Tisch. Lenny mahnt seinen Partner zur Vorsicht und deckt die Pistole schnell mit seiner Zeitung zu, aber als Georgina die Szene beobachtet, verwandelt sich Chicago Joe in ihrer Vorstellung sofort in einen Gangster, der ihr eigenes Leben aufregender machen könnte. So lässt sie sich bereitwillig von Joe auf eine nächtliche Spazierfahrt in einem Armee-Laster einladen. Joe lässt sich nur zu gern auf das Spiel mit ihr ein, präsentiert sich als Boss einer Gauner-Bande. Weder Georgina noch Joes kleinbürgerliche Freundin Joyce (Patsy Kensit) ahnen, dass er ein Fahnenflüchtiger ist, der sich mit kleinen Gaunereien in London über Wasser zu halten versucht. Die abenteuerlichen Nächte mit Georgina, die längst nicht so zugeknöpft ist wie die brave Konditoreiverkäuferin Joyce, lenken Joe von seinem tristen Alltag ebenso ab wie Georgina ihren Traum als Braut eines Gangsterbosses verwirklicht sieht. Als Georgina aber Joe dazu anstiftet, eine Anhalterin und dann einen Taxifahrer zu töten, geraten die Dinge völlig außer Kontrolle … 

Kritik: 

Bernard Rose („Candymans Fluch“, „Paperhouse – Alpträume werden war“) hat sich für seinen oft auch als Neo-Noir bezeichneten Film von dem realen Verbrecherpärchen Karl Hulten und Betty Jones inspirieren lassen, doch gelingt es Drehbuchautor David Yallop („Ohne jeden Zweifel“) und Regisseur Rose nicht, den Figuren wirklich Leben einzuhauchen. Bevor die beiden Hauptfiguren überhaupt vorgestellt werden, sind sie auch schon in gemeinsamer gefährlicher Mission unterwegs, so dass immer mehr der Vergleich zur legendären „Bonnie & Clyde“-Geschichte aufkommt, ohne auch nur annähernd deren Tiefe zu erreichen. 
Stattdessen bekommt das Publikum die Träume des Showgirls von einer großen Schauspielkarriere einerseits und ein Leben an der Seite eines charismatischen Gangsterbosses andererseits zu sehen, wenn sich vermeintlich harmlos aussehende Szenen in ihrer Vorstellung zu glamourösen oder gefährlichen Episoden verklären. Dafür bietet Chicago Joe aber eine denkbar ungeeignete Projektionsfläche. Kiefer Sutherland gibt zwar sein Bestes, seiner nachlässig gezeichneten Figur etwas Profil zu verleihen, aber den desertierten Soldaten (in Uniform, wohlgemerkt!), der sich seinen Lebensunterhalt als Kleinganove in London verdient, nimmt man ihm hier nur schwer ab. Ebenso wenig wie sein Doppelleben als Fahnenflüchtiger und Mini-Gangster hinreichend dargestellt wird, bleibt auch das Potential in seinen Beziehungen zu der leicht verruchten Kathleen und der biederen Joyce unausgeschöpft. 
Wie Chicago Joe zwischen dem gefährlichen Nachtleben auf der Straße und den spießbürgerlichen Aufenthalten in Joyce‘ Familie pendelt, hätte weitaus spannender inszeniert werden können. So belässt es Bernard Rose bei einer etwas lustlos und wenig spannenden Geschichte zweier Außenseiter, die an sich nichts Böses im Sinn haben, aber auf der Suche nach Abenteuer und Gesellschaft falsche Entscheidungen treffen und dafür zur Rechenschaft gezogen werden. 
Der Film war übrigens die zweite Zusammenarbeit nach „Paperhouse“ zwischen Regisseur Rose und dem späteren Hollywood-Star-Filmkomponisten Hans Zimmer, der hier aber noch die Unterstützung von Shirley Walker in Anspruch nehmen musste.  

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