Das Geheimnsi von Malampur
William Wyler (1902-1981) zählt mit seinen drei Oscar-Auszeichnungen (für „Mrs. Miniver“, „Die besten Jahre unseres Lebens“ und „Ben-Hur“) nicht nur zu den erfolgreichsten Filmemachern in Hollywood, sondern war auch der Lieblingsregisseur von Bette Davis, mit der er die drei Filme „Jezebel – Die boshafte Lady“, „Das Geheimnis von Malampur“ und „Die kleinen Füchse“ realisierte. Vor allem in der Adaption der Kurzgeschichte „The Letter“ von W. Somerset Maugham zeigte Bette Davis eine ihrer besten Leistungen auf der großen Leinwand, die immerhin mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde.
Während die einheimischen Plantagenarbeiter den Feierabend in ihren Hängematten oder beim Spielen verbringen, fallen Schüsse in dem herrschaftlichen Haus des Plantagenbesitzers Robert Crosbie (Herbert Marshall). Kurz darauf taumelt ein Mann aus dem Haus und stürzt tödlich getroffen auf der Treppe zusammen, während Crosbies Frau Leslie (Bette Davis) aus der Tür kommt und weitere Schüsse auf den Leichnam abgibt. Als Robert und sein Anwalt Howard Joyce (James Stephenson) am Unglücksort eintreffen, erzählt Leslie ihnen, wie der getötete Geoffrey Hammond (David Newell) sie vergewaltigen wollte, worauf sie ihn in Notwehr erschossen habe. Natürlich muss sich Leslie wegen des Mordes an Hammond vor Gericht verantworten, doch scheint an ihrer Geschichte kein Zweifel zu bestehen, so dass alle Beteiligten mit einem Freispruch rechnen. Als dem Anwaltsgehilfen Ong Chi Seng (Victor Sen Yung) jedoch die Abschrift eines Briefes vorgelegt wird, den die Angeklagte geschrieben haben soll, an dem sie Hammond erschoss, willigt Leslies Mann ein, das Original für welchen Preis auch immer, von Hammonds Ehefrau (Gale Sondergaard) zurückzukaufen.
Unter der Voraussetzung, dass Leslie selbst die geforderten 10.000 Dollar an die Witwe übergibt, findet der Austausch im chinesischen Viertel von Malampur statt. Leslie wird daraufhin tatsächlich von den Geschworenen freigesprochen, doch der Weg für ein neues Leben, das ihr Mann Robert für sie beide vorsieht, ist damit noch längst nicht geebnet …
Kritik:
W. Somerset Maughams Geschichte „The Letter“ wurde bereits 1929 von Jean de Limur verfilmt, auch 1947 noch einmal unter dem Titel „Ehebruch“ von Vincent Sherman und 1982 als Fernsehfilm von John Erman, doch bleibt William Wylers Adaption zurecht die beste und bekannteste. Meisterhaft inszeniert Wyler eine bedrohliche Atmosphäre, in der das verschleierte Verbrechen mit der geheimnisvollen exotischen Kulisse eine stimmige Symbiose eingeht. Obwohl der Zuschauer von Beginn an ahnt, dass hinter Leslies Geschichte mehr als nur Tötung aus Notwehr steckt, lüftet Wyler die Hintergründe nur häppchenweise. Selbst als der offensichtlich belastende Brief auftaucht, wird über dessen Inhalt lange kein Wort verloren.
Bis dahin speist sich ein Großteil der Dramatik aus dem geheimnisvollen, wortkargen Auftritt von Hammonds eurasischer Witwe, die sich meist im Dunkeln versteckt hält, keine Miene verzieht und in eigener Mission unterwegs ist. Es ist aber vor allem Bette Davis („Alles über Eva“, „Was geschah wirklich mit Baby Jane?“) großartiger Darstellung zu verdanken, dass die tatsächlichen Ereignisse zu lange im Dunkeln bleiben. Ihre Leslie bringt überzeugend die Notwehr-Geschichte zum Besten, umgarnt ihren Anwalt und präsentiert sich als liebende und fürsorgliche Ehefrau und hält damit alle bis zum dramatischen Finale überzeugend zum Narren. Herbert Marshall („Ärger im Paradies“, „Der Auslandskorrespondent“), der in der ersten Verfilmung noch den ermordeten Liebhaber gespielt hatte, verkörpert hier überzeugend den gehörnten Ehemann, während James Stephenson („Der Herr der sieben Meere“, „Dem Schicksal vorgegriffen“) noch die herausforderndste Rolle des Anwalts verkörpert, der in einem echten Dilemma steckt, als er sein Berufsethos aufs Spiel setzt, um den möglicherweise verräterischen Brief zu erwerben.
Das Drama ist so packend inszeniert und glänzend gespielt, dass es nicht von ungefähr mit sieben Oscar-Nominierungen bedacht worden ist (u.a. für die Beste Regie und den Besten Film), allerdings bei der Verleihung leer ausging.
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