Die Killer
Der 1900 in Dresden geborene Robert Siodmak hat nach seinen Stationen in Deutschland und Frankreich seine Karriere in Hollywood zunächst mit B-Movies wie „Draculas Sohn“ (1943) und „Die Schlangenpriesterin“ (1944) begonnen, ehe er gleich mit seinem ersten (von insgesamt zwölf) Film noir „Zeuge gesucht“ (1944) zu einem der bedeutendsten Vertreter des Genres wurde. Vor allem seine 1946 inszenierte Adaption der Ernest-Hemingway-Kurzgeschichte „The Killers“ avancierte zu einem Klassiker des Genres, der zudem die zuvor unbekannten Schauspieler Burt Lancaster und Ava Gardner zu ihrem Durchbruch verhalf.
In der Kleinstadt Brentwood, New Jersey, betreten zwei Killer (Charles McGraw, William Conrad) „Henry’s Diner“, knebeln den Koch und den einzigen Gast, Nick Adams (Phil Brown) in der Küche und warten auf die Ankunft des örtlichen Tankwarts Ole Anderson (Burt Lancaster), den man vor allem als „der Schwede“ kennt. Doch als es sechs Uhr vorbei ist, wird den grimmigen Besuchern klargemacht, dass ihr potentielles Mordopfer nicht mehr kommt, so dass sie sich auf den Weg zu seinem Zimmer machen, das er in einer Pension bewohnt.
Der mittlerweile wieder von seinen Fesseln befreite Nick Adams versucht noch, seinen Freund zu warnen, doch Ole nimmt die Nachricht von seiner bevorstehenden Ermordung gelassen auf und meint, dass er nun für eine begangene Dummheit büßen müsse. Wenig später stürmen die beiden Killer das Zimmer des Tankwarts und erschießen den Mann. Da der Ermordete ein Zugereister gewesen ist und die Killer ebenfalls aus der Fremde aufgetaucht waren und wieder verschwunden sind, verfolgt die örtliche Polizei den Fall nicht weiter, wohl aber der Versicherungsdetektiv Jim Reardon (Edmond O’Brien). Anderson hatte nämlich eine Lebensversicherung über 2500 Dollar zu Gunsten einer Hotelangestellten in Atlantic City abgeschlossen. Reardon nimmt nacheinander Kontakt zu allen Menschen auf, die etwas darüber wissen könnten, warum jemand den ehemaligen Profiboxer umbringen wollte.
Von Andersons Jugendfreund, dem mittlerweile pensionierten Lieutenant Sam Lubinsky (Sam Levene), und dessen Frau Lilly (Virginia Christine) erfährt er, wie Andersons Boxer-Karriere durch eine gebrochene Hand beendet wurde. Damals war Lilly noch mit Anderson befreundet, doch auf einer Party lernte er die
attraktive Kitty Collins (Ava Gardner), die Braut des Gangsterbosses Jim Colfax (Albert Dekker), kennen und verliebte sich in sie. Lilly ergänzt, dass Anderson sich damals mit Kriminellen eingelassen habe und aus Liebe zu Kitty im Jahr 1938 sogar eine Gefängnisstrafe auf sich genommen hatte für einen Diebstahl, den eigentlich Kitty begangen hatte.
Von seinem damaligen Zellengenossen Charleston (Vince Barnett) erfährt Reardon schließlich von einem Raubüberfall, den Colfax auf die Lohnkasse der Prentiss Hat Company in Hackensack verüben wollte und an dem Anderson ebenfalls teilnehmen wollte – ohne zu wissen, dass Kitty mit Colfax liiert war …
Kritik:
Für die Verfilmung von Ernest Hemingways erstmals 1927 in „Scribner’s Magazine“ erschienenen Kurzgeschichte „The Killers“, deren Filmrechte der schillernde Broadway-Produzent und Star-Kolumnist Mark Hellinger für 36.750 Dollar erworben hatte, war zunächst Hemingways Seelenverwandter John Huston vorgesehen, der zusammen mit Richard Brooks und Anthony Veiller auch das Drehbuch zu „Die Killer“ geschrieben hatte, in den Credits aber nicht erwähnt wurde, nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Huston und Hellinger gekommen war.
Siodmak, der noch während seiner Zeit in Deutschland mit „Stürme der Leidenschaft“ (1932) einen ganz ähnlichen Film inszeniert hatte, war in Hollywood bereits mit den packenden Film noirs „Weihnachtsurlaub“ (1944), „Zeuge gesucht“ (1944) und „Die Wendeltreppe“ (1946) bekannt geworden, während Hemingways Name durch seine Romanverfilmungen „In einem anderen Land“ (1932), „Wem die Stunde schlägt“ (1943) und „Haben und Nichthaben“ (1944) bereits sehr populär gewesen ist.
Für große Stars war das Budget nicht ausreichend, also holte sich Hellinger mit dem gänzlich unerfahrenen Burt Lancaster und der wegen ihres Sexappeals immerhin in einigen Nebenrollen besetzten Ava Gardner zwei unverbrauchte Gesichter, die „Rächer der Unterwelt“ (so der auch heute noch sehr populäre Alternativtitel von „Die Killer“) ihren Durchbruch verdanken.
Hemingways beständiges Thema, wie ein Mann mit dem Schicksal seines Todes umgeht, gewinnt in der Geschichte eines ehemaligen Boxprofis Gestalt, der nach seinem Karriereende nicht nur auf die schiefe Bahn gerät, sondern sich auch noch in die Frau des Gangsterbosses verliebt. Siodmak beginnt mit der Ermordung des „Schweden“, wobei Burt Lancaster fast stoisch sein Todesurteil annimmt. In verschiedenen, nicht mal chronologisch angeordneten Rückblenden wird nach Andersons Ermordung seine Geschichte anhand der Aussagen von Andersons Weggefährten aufgerollt. Dabei erscheint schon die erste Episode aus der Vergangenheit das Los des Ex-Boxers zu bestimmen. Anderson lag nichts an der fürsorglichen, biederen Lilly, die später seinen Freund Sam heiraten sollte. Stattdessen hatte er bei der verhängnisvollen Party, bei der er Kitty kennenlernt, nur noch Augen für die Femme fatale, der nur an ihrem eigenen Wohl gelegen war und für die Anderson seine Begleitung völlig vergessen ließ.
Mit diesem verträumten Blick für seine Angebetete taumelte Anderson nahezu willenlos durch die verhängnisvollen Ereignisse, in die der Versicherungsdetektiv nach und nach Licht zu bringen versucht, durch seine hartnäckigen Ermittlungen aber immer mehr Menschen ins Verderben stürzt.
„Die Killer“ ist auch deshalb ein Paradebeispiel für den Film noir, weil er die psychologisch-existentialistische Komponente mit einem fesselnden Kriminalfall verknüpft, dessen vielfältigen Schichten erst nach und nach freigelegt werden. Zwar steht die tragische Beziehung zwischen dem willenlosen Anderson und der verruchten, wahrer Liebe unfähigen Gangsterbraut Kitty im Vordergrund der Geschichte, doch führt ihre schicksalhafte Verbindung auch zu weiteren Themen wie Schuld, Sühne und Schicksal. Siodmak und sein Kameramann Elwood Bredell („Schwarzer Freitag“) verbanden die kontrastreiche Lichtgestaltung des deutschen Expressionismus mit realistischen Elementen des modernen amerikanischen Kriminalfilms zu einem komplexen Drama, in dem letztlich die Gier nach Geld über die wie auch immer geartete Liebe triumphiert und allen Beteiligten eigentlich nur den ausweglosen Untergang bereitet.
Siodmaks Meisterwerk wurde in den vier Kategorien Beste Regie (Robert Siodmak), Bester Schnitt (Arthur Hilton), Beste Filmmusik (Miklós Rózsa) und Bestes adaptiertes Drehbuch (Anthony Veiller) für einen Oscar nominiert, unterlag aber jeweils William Wylers Melodram „Die besten Jahre unseres Lebens“.
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