Die wilden Zwanziger
In seiner über 50-jährigen Karriere war der amerikanische Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Raoul Walsh (1887-1980) nicht nur äußerst produktiv, sondern verschaffte John Wayne 1930 in „Der große Treck“ seine erste Hauptrolle, bevor John Ford ihn neun Jahre später zum Star machte, und drehte allein in seiner dreijährigen Periode bei Warner Bros. die Filme „Die wilden Zwanziger“ (1939), „Nachts unterwegs“ (1940), „Entscheidung in der Sierra“ (1941), „Schönste der Stadt“ (1941), „Herzen in Flammen“ (1941), „Sein letztes Kommando“ (1941) und „Der freche Kavalier“ (1942). Dabei half er nicht nur Humphrey Bogart und Errol Flynn, ihre Popularität zu festigen, sondern auch James Cagney groß herauszubringen. In Walshs Gangster-Drama „Die wilden Zwanziger“ verkörpert Cagney einen abgebrannten Kriegsheimkehrer, der aus Not in den illegalen Handel mit Alkohol während der Prohibition gerät und es dort bald mit seinem von Bogart gespielten Kriegskameraden zu tun bekommt.
Kurz vor Kriegsende lernen sich die US-Soldaten Eddie Barlett (James Cagney), George Hally (Humphrey Bogart) und Lloyd Hart (Jeffrey Lynn) in einem Bombentrichter kennen. Eddie zählt zu den letzten Kriegsheimkehrern und kommt zunächst bei seinem alten Freund Danny Green (Frank McHugh) in New York unter, der sich seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer verdient. Da Eddies alter Job als Automechaniker bereits wieder vergeben ist, begibt er sich erfolglos auf die Suche nach einem anderen Job, bis er sich darauf einlässt, sich mit Danny das Taxi zu teilen. Bei einer seiner Fahrten bekommt Eddie ein Päckchen in die Hand gedrückt, das er bei Panama Smith (Gladys George) in einer Bar abliefern soll, doch wird er dabei von Beamten einkassiert, die ihn und Panama wegen Verstoßes gegen die Prohibition festnehmen.
Während die Geschäftsführerin der Flüsterkneipe jedoch bei der Gerichtsverhandlung freigesprochen wird, weil Eddie zu ihren Gunsten ausgesagt hat, muss er selbst für 60 Tage hinter Gitter, da er die Kaution von 100 Dollar nicht auftreiben kann. Doch Panama revanchiert sich für Eddies Aussage vor Gericht, hinterlegt die Kaution und verschafft ihm einen Job in ihrem Etablissement. Mit der Hilfe von Lloyd, der mittlerweile als Anwalt tätig ist, baut er sein Taxiunternehmen aus, das als Tarnung für seinen florierenden Schmuggel mit Alkohol dient. Bei dem Eintreiben überfälliger Zahlungen trifft Eddie die junge Jean Sherman (Priscilla Lane) wieder, die ihm bereits während des Krieges Briefe nach Frankreich geschickt hatte, bei Eddies Rückkehr nach New York aber noch zur Schule ging.
Eddie verliebt sich in das Mädchen und verschafft ihr einen besseren Job in einem Nachtclub. Eddie will sein Geschäft weiter ausbauen, doch der erfolgreiche Geschäftsmann Nick Brown (Paul Kelly) lehnt eine Zusammenarbeit mit Eddie ab, worauf Eddie mit seinen Leuten eine Schiffsladung mit einer Lieferung für Brown auf den Gewässern abfangen will. Dabei trifft er George wieder und plant mit ihm, gemeinsame Sache gegen Brown zu machen. Doch Eddie merkt weder, dass er seine angebetete Jean nicht für sich gewinnen kann, noch dass sich George nicht wie ein Handlanger behandeln lässt und seine eigenen Geschäfte aufzieht …
Kritik:
Der schillernde Drehbuchautor Mark Hellinger hatte sich in New York einen Namen als Broadway-Kolumnist gemacht, bevor er anfing Drehbücher zu schreiben und Filme wie „Entscheidung in der Sierra“ (1941), „Herzen in Flammen“ (1941), „Rächer der Unterwelt“ (1946) und „Zelle R 17“ (1947) zu produzieren. Mit dem 1939 realisierten Gangster-Drama „Die wilden Zwanziger“ hat er seine eigenen Erinnerungen aufgearbeitet, wie er im Vorspann des Films ankündigt. Dabei deckt er die Jahre des Kriegsendes ebenso ab wie die Jahre der Prohibition, Präsident Roosevelts Amtseinführung und der Aufhebung der Prohibition bis zur Weltwirtschaftskrise, die schließlich auch an Eddie nicht vorübergeht. Die markanten Ereignisse werden allerdings nur kurz aus dem Off skizziert, um die Hintergründe der Handlung in einen größeren Kontext zu stellen, doch im Mittelpunkt steht einzig und allein der Aufstieg und Fall eines Mannes, der nach der Rückkehr aus dem Krieg von Null anfangen muss und sich die Prohibition zunutze macht, um groß rauszukommen.
Die Inszenierung fällt dabei allerdings stellenweise etwas holperig und sprunghaft aus. So ist die Einstiegsszene auf dem Schlachtfeld in Frankreich absolut unglaubwürdig ausgefallen, und auch die Liebe, die Eddie gegenüber der biederen Sängerin Jean empfindet, kommt wenig überzeugend daher, zumal Eddie und Panama viel eher zusammenpassen. Aber das ist nun mal die Beziehung, die sich zu einem zerstörerischen Drama entwickelt, in dem es um Gier, Vertrauen, Verrat und Liebe geht. Am Ende transportiert „Die wilden Zwanziger“ letztlich auch nur die moralisierende Botschaft, dass sich Verbrechen nicht lohnt, doch ist der Weg dahin immerhin wunderbar gespielt und überwiegend gut, wenn auch ohne besondere Finesse inszeniert.
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