Der unheimliche Gast

Der britische Filmemacher Lewis Allen (1905-2000) war zunächst als ausführender Produzent am West End und Broadway tätig, wo er dann auch einige Produktionen co-inszenierte, bevor er von Paramounts Studio-Boss Buddy G. DeSylva nach Hollywood geholt wurde, wo er mit der Verfilmung von Dorothy Macardles Bestseller „Uneasy Freehold“ 1944 ein vielversprechendes Debüt vorlegte. Das mit Ray Milland prominent besetzte Gruseldrama ebnete Allen den Weg zu weiteren sehenswerten Filmen wie „Der Tod wohnt nebenan“ (1945), „Desert Fury – Liebe gewinnt“ (1947) und „Todesfalle von Chikago“ (1949). 

Inhalt: 

Als die in London lebenden und arbeitenden Geschwister Roderick (Ray Milland) und Pamela Fitzgerald (Ruth Hussey) am Ende ihres zweiwöchigen Urlaubs an der Steilküste bei Devonshire auf eine verlassen wirkende Villa stoßen, macht ihr kleiner Terrier Jagd auf ein Eichhörnchen und verschwindet dabei durch eine nicht ganz geschlossene Fensteröffnung im Inneren des Hauses. Als die beiden Fitzgeralds ebenfalls durch das Fenster ins Haus gelangen, um ihren Hund wieder einzufangen, verliebt sich Pamela sofort in das Anwesen und überredet ihren Bruder dazu, es zu kaufen. Sie statten dem Besitzer des lange leerstehenden Gebäudes, Commander Beech (Donald Crisp) einen Besuch ab und lernen dabei zunächst seine zwanzigjährige Enkelin Stella Meredith (Gail Russell) kennen, die ihren Großvater erst einmal verleugnen lässt, als sie erfährt, dass die Besucher das Haus kaufen wollen, in dem sie selbst die ersten drei Jahre ihres Lebens verbracht, Winward House. 
Als der Commander dann doch auf seine Besucher trifft, überlässt er den Fitzgeralds das Anwesen für läppische 1200 britische Pfund, macht die Käufer aber auch darauf aufmerksam, dass die vorherigen Mieter wegen geheimnisvoller Ereignisse die Flucht ergriffen hätten. Tatsächlich bemerken auch Roderick und seine Schwester nach Einrichtung ihres neuen Heims, dass sich nicht nur immer wieder ein starker Mimosenduft in einzelnen Räumen breit macht, sondern auch gespenstische Dinge zu beobachten sind. 
Der strenge Duft ist nach Stellas Angaben auf das Lieblingsparfüm ihrer Mutter zurückzuführen, die von den Klippen zu Tode gestürzt war, als Stella gerade mal drei Jahre alt gewesen ist, worauf ihr Vater nach Frankreich zog und sie selbst bei ihrem Großvater aufwuchs. Während sich Stella mit Roderick anfreundet und sich immer mehr zurück nach Winward House sehnt, verbietet ihr Großvater den weiteren Besuch des Hauses, und auch Roderick beobachtet eine zunehmende Veränderung in Stellas Wesen, bis sie sogar selbst von den Klippen zu stürzen droht und mit einem Schock in die Obhut von Dr. Scott (Alan Napier) gegeben wird. Als dieser mit seiner Schulmedizin Stellas wahnhaften Vorstellungen nicht mehr beikommen kann, bringen sie Stella ins Sanatorium von Miss Holloway (Cornelia Otis Skinner), einer ehemals guten Freundin von Stellas Mutter, die allerdings ein dunkles Geheimnis hütet … 

Kritik: 

Obwohl „Der unheimliche Gast“ als Teil der überwiegend hervorragend editierten Film noir Edition von Koch Media veröffentlich worden ist, handelt es sich bei Allens Regiedebüt doch eher um einen klassischen Gruselkrimi, der allerdings mit Stilmitteln des Film noir inszeniert worden ist. Bereits die Eröffnungssequenz mit einem nächtlichen Bildern der an der Steilküste brechenden Wellen des Meeres gibt den Ton für das düstere Drama an, das auf reizvolle Weise lupenreinen Spukhaus-Grusel präsentiert. Dafür sorgen nicht nur die von den Geschwistern, Dr. Scott und Stella abgehaltene Seance, sondern auch das klagende Jammern, das nachts im ganzen Winward House zu hören ist, die sinnlichen Eindrücke atypischer Düfte und Temperaturschwankungen sowie zu guter Letzt auch die auch heute noch wirkungsvoll inszenierten Geistererscheinungen. 
Um diese Phänomene herum wird ein ebenso klassisches Krimidrama entwickelt, dessen Puzzleteile vor allem der hartnäckige Roderick nach und nach zusammenzusetzen versucht. Parallelen zu Hitchcocks Meisterwerk „Rebecca“ (1940) drängen sich unweigerlich auf, doch kann „Der unheimliche Gast“ mit einem charismatischen Ray Milland („Bei Anruf Mord“, „Das verlorene Wochenende“) in der männlichen Hauptrolle und Gail Russell („Kalkutta“, „Der schwarze Reiter“) als emotional wankelmütige Stella und Ruth Hussey („Die Frauen“, „Die Nacht vor der Hochzeit“) als Rodericks eher biedere Schwester überzeugen. 
Es ist aber vor allem die an den deutschen Expressionismus erinnernde Kameraarbeit, das geschickte Spiel mit Licht und Schatten, der wohldurchdachte Einsatz von Victor Youngs Musik und das perfekte Produktionsdesign, was „Der unheimliche Gast“ in filmtechnischer Hinsicht so herausragend macht. 

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