Im Jahr des Drachen

Mit seinen ersten beiden Filmen „Die Letzten beißen die Hunde“ (1974) und „Die durch die Hölle gehen“ (1978) hat sich Drehbuchautor und Regisseur Michael Cimino einen respektablen Namen gemacht, bevor er mit seinem dreieinhalbstündigen Western-Epos „Heaven’s Gate“ (1980) fürchterlichen Schiffbruch erlitt. So dauerte es dann fünf Jahre, ehe er mit „Im Jahr des Drachen“ ein weiteres kontroverses Werk vorlegte, das ebenso für europäische Filmpreise und zwei Golden Globes wie für die Razzie Awards – besser bekannt als Goldene Himbeere – nominiert worden ist. 

Inhalt: 

Der polnischstämmige Vietnam-Veteran Stanley White (Mickey Rourke) hat ordentlich Karriere gemacht bei der Polizei in New York, wo er als Captain ausgerechnet in Chinatown für Ordnung sorgen soll. Seit dem Krieg hegt White eine tiefe Abneigung gegen alle Asiaten und lässt von Beginn an keinen Zweifel daran, dass er mit den kriminellen Machenschaften der chinesischen Triaden in seinem neuen Revier gnadenlos aufräumen will. Als ein chinesischer Pate ermordet wird, stürmt White das Büro von Harry Yung (Victor Wong) und seinen Syndikats-Kollegen, darunter der junge Joey Tai (John Lone), der seinerseits Ansprüche geltend macht, die Triaden im Konkurrenzkampf vor allem mit den Italienern neu aufzustellen. White spuckt zwar große Töne, dass er einen Erbfolgekrieg in Chinatown nicht zulasse, aber bald geraten die Dinge außer Kontrolle, was auch für Whites Ehe mit Connie (Caroline Kava) zutrifft. Als sich White mit der chinesischstämmigen Reporterin Tracy Tzu (Ariane) in einem chinesischen Restaurant trifft, werden sie selbst in ein Blutbad verwickelt, dem sie mit Mühe entkommen können. White beginnt eine Affäre mit der attraktiven Reporterin und muss sich eine neue Bleibe suchen. Während White Tracy zu instrumentalisieren versucht, die kriminellen Geschäfte der Triaden in ihren Reportagen aufzudecken, setzt sich der ambitionierte Tai an die Spitze der Triaden und will in Thailand neue Bedingungen für den Erwerb der Drogen aushandeln. Dabei geht er ebenso wenig zimperlich vor wie White bei der Verbrechensbekämpfung in Chinatown … 

Kritik: 

Es ist Michael Cimino hoch anzurechnen, dass er sich nach dem kapitalen Flop mit „Heaven’s Gate“ nicht auf die sichere Seite begab, um einen typischen Mainstream-Film abzuliefern, sondern mit seinem prominenten Co-Autoren Oliver Stone („Platoon“, „JFK“) den vielschichtigen Roman „Year of the Dragon“ von Robert Daley adaptierte. Bereits die Eröffnungssequenz mit der exotischen Musik von David Mansfield taucht mit leuchtenden Farben und viel Bewegung in die schillernde Welt Chinatowns ein und setzt so den Ton für ein Thriller-Drama, das ganz auf seinen charismatischen Hauptdarsteller Mickey Rourke zugeschnitten ist. Rourke war bereits in Ciminos „Heaven’s Gate“ zu sehen und avancierte mit Rollen in Lawrence Kasdans Erotik-Thriller „Heißblütig – Kaltblütig“, Barry Levinsons Drama „American Diner“, Nicolas Roegs Thriller-Drama „Eureka“ und Francis Ford Coppolas Halbstarken-Drama „Rumble Fish“ zu einem der angesagtesten Schauspieler in den frühen 1980ern. In „Im Jahr des Drachen“ verkörpert er mit starker physischer Präsenz einen Cop, der zwar immer wieder seine polnischen Wurzeln erwähnt, aber als waschechter Amerikaner wahrgenommen werden will. Sein Kampf gegen das Verbrechen in Chinatown wirkt wie persönlich und rassistisch motivierter Rachefeldzug gegen die Chinesen, wobei ihm die Polizeimarke die Freiheit verleiht, unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung jede über Jahrhunderte gewachsene Tradition im Viertel für nichtig zu erklären. 
Es zeichnet sich früh ab, dass der an sich schlicht konstruierte Plot am Ende auf eine sehr persönliche Konfrontation zwischen dem störrischen Captain White und seinem studierten, distinguiert wirkenden Kontrahenten Tai hinausläuft. Dabei machen beide Parteien keine Gefangenen bei der Erfüllung ihrer Mission. Cimino wechselt immer wieder die Perspektiven zwischen White und Tai, begleitet den jungen Triaden-Boss sogar bis nach Thailand, wo er einen weiteren seiner Gegenspieler auf spektakuläre Weise ausschaltet. Viel Raum nehmen auch Whites schwierige Beziehungen zu den Frauen ein. Whites ohnehin zerrüttete Ehe erhält durch sein energisches Vorgehen gegen Tai und die Chinesen-Mafia den Rest, und die chinesisch-japanische Reporterin, in deren steril wirkender Wohnung er zuweilen unterkommt, kann White nicht so manipulieren, wie er es gern hätte. Diesen Kampf an mehreren Fronten hat Kameramann Alex Thomson („Legende“, „Excalibur“) in packenden Bildern eingefangen, und trotz einiger Längen überzeugt „Im Jahr des Drachen“ als psychologisch vielschichtiges, ganz gewiss nicht rassistisches Thriller-Drama, das eindrucksvoll untermauert, dass Michael Cimino einer der interessanteren Filmemacher seiner Generation gewesen ist.  

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