Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs

1967 inszenierte Norman Jewison mit „In der Hitze der Nacht“ ein fünffach Oscar-prämiertes Meisterwerk mit Rod Steiger und Sidney Poitier in den Hauptrollen, die nicht nur den Mord an einem Industriellen aufzuklären hatten, sondern sich auch mit gegenseitigen, rassistisch geprägten Ressentiments in einer Kleinstadt in Mississippi auseinandersetzen mussten. Drei Jahre später entstand mit „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ eine weit unspektakuläre Fortsetzung, in der Sidney Poitier in San Francisco im Mordfall einer Prostituierten ermittelt. 

Inhalt: 

In einem Wohnblock in der St. James Street empfängt die Prostituierte Joy Sturges (Linda Towne) einen Freier, der aus Wut über seine eigene Impotenz die Frau mit einer Statuette erschlägt. Als der schwarze Hausmeister Mealie Williamson (Juano Hernandez) seine Runde macht und die Mülleimer ausleert, klopft er auch an die Tür von Joys Apartment und tritt einfach ein, als er keine Antwort bekommt. Neugierig nimmt er die auf dem Boden liegende Statuette in die Hand und entdeckt erst dann Joys Leiche, worauf er den Haus wohnenden Besitzer Rice Weedon (Anthony Zerbe) aufsucht. Ihm erzählt er, dass er nicht nur die Leiche entdeckt und die Tatwaffe angefasst hat, sondern auch kurz zuvor Priester Logan Sharpe (Martin Landau) aus dem Haus gehen sah. Weedon verdonnert seinen Hausmeister zu Stillschweigen und informiert anonym die Polizei, wobei er auch Sharpes Namen ins Spiel bringt. Captain Marden (Jeff Corey) beauftragt Lieutenant Virgil Tibbs (Sidney Poitier) mit dem Fall, da Tibbs mit dem Reverend befreundet ist. Politische Brisanz erhält der Fall durch die Tatsache, dass Sharpe das Aushängeschild einer Wahlinitiative ist, die sich dafür einsetzt, die staatliche Kontrolle über lokale Gemeinschaften einzuschränken. 
Bei einem ersten Gespräch gibt Sharpe Tibbs gegenüber zu, Joy regelmäßig besucht zu haben, um ihr Bücher zu bringen. Ganz gewiss sei er aber kein Kunde von ihr gewesen. Während Tibbs und seine Kollegen Lieutenant Kenner (David Sheiner) und Sergeant Deutsch (Ted Gehring) verschiedene forensische Beweise untersuchen und weitere Zeugen vernehmen, wird Tibbs den Verdacht nicht los, dass Weedon trotz seiner weißen Weste mit Zuhälterei und Drogenschäften zu tun haben könnte, aber auch Sharpes politische Gegner könnten daran interessiert sein, den Reverend in ein ungünstiges Licht zu rücken … 

Kritik:

Obwohl John Ball noch weitere Romane mit seinem schwarzen Protagonisten Virgil Tibbs veröffentlicht hat, versäumte es Produzent Walter Mirisch, eine dieser Vorlagen für ein Sequel zu verfilmen. Stattdessen ließ er die an sich versierten Drehbuchautoren Alan Trustman („Thomas Crown ist nicht zu fassen“, „Bullitt“) und James R. Webb („Vera Cruz“, „Ein Köder für die Bestie“) eine Story schreiben, die nie auch nur annähernd die Qualität von „In der Hitze der Nacht“ erreicht. Statt der rassistisch geprägten Welt des Südens rückt nun das multikulturelle San Francisco in den Mittelpunkt eines klassischen Whodunit-Plots, der vor allem durch Tibbs‘ Familie einen sehr persönlichen Ton bekommt. 
Warum Tibbs mit seiner Familie von Philadelphia nach San Francisco gezogen ist und wie sich die Freundschaft zwischen dem weißen Reverend Sharpe und dem schwarzen Cop entwickelt hat, wird allerdings mit keinem Wort erwähnt. Die Ermittlungen nehmen vor allem Gestalt in forensischen Untersuchungen von Fusseln und Glassplittern einerseits und Verhören der immer derselben Leute sowie Tibbs‘ Erziehungsmethoden andererseits an. Hier wird Tibbs vor allem als liebender Ehemann von Valerie (Barbara McNair) präsentiert, der seiner Tochter Ginger Mut macht, weiterhin Kopfstände zu üben, während sein Sohn Andy bereits rebellische Züge zeigt, die ihm schwer auszutreiben sind. 
So bemüht der Film wirkt, Tibbs als überlegte, ruhige und ordnende Hand im Chaos der sozialen Unruhen zu etablieren, gelingt es Regisseur Gordon Douglas („Zwischen Mitternacht und Morgen“, „Rio Conchos“) kaum, seinen Film über die Qualität eines Fernsehkrimis zu hieven. Die Schauspieler wirken allesamt unterfordert und teilweise sogar lustlos, der Mordfall ist nicht spannend genug inszeniert, die angerissenen Themen der politischen Unruhen zu Wahlzeiten bleiben leider an der Oberfläche. 
So kann „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ nie an die Qualität des Oscar-prämierten Meisterwerks „In der Hitze der Nacht“ anknüpfen und dürfte nur für eingefleischte Sidney-Poitier-Fans interessant sein. Ein Jahr darauf verkörperte Poitier ein letztes Mal die Rolle des Virgil Tibbs in „Die Organisation“.  

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