In der Hitze der Nacht

Der im Januar 2022 im Alter von 94 Jahren verstorbene Schauspieler und Regisseur Sidney Poitier hat sich in Hollywood gerade in den 1960er Jahren als Darsteller etabliert, der in seinen Rollen mutig gegen rassistische Ressentiments kämpfte. Nachdem er für seine Leistung in dem Drama „Lilien auf dem Felde“ (1963) als erster Afroamerikaner mit einem Oscar für die beste männliche Hauptrolle ausgezeichnet worden war, trugen auch die 1967 entstandenen Filme „Rate mal, wer zum Essen kommt“, „Herausforderung“ und vor allem Norman Jewisons „In der Hitze der Nacht“ dazu bei, Poitiers außergewöhnlich selbstbewusste Rolle in Hollywood zu untermauern. 

Inhalt: 

Als der Streifenpolizist Sam Wood (Warren Oates) in der Kleinstadt Sparta, Mississippi, nachts seine Runde durch die verlassenen Straßen zieht, hält er wie immer mit ausgeschalteten Scheinwerfern kurz vor dem Haus der jungen Delores Purdy (Quentin Dean) an, um ihr dabei zuzusehen, wie sie nackt in ihrer Wohnung herumläuft, dann entdeckt er in der Innenstadt die Leiche des Industriellen Philip Colbert auf der Straße. 
Als er Polizeichef Bill Gillespie (Rod Steiger) über seinen Fund informiert, schickt er seinen Sergeant zur Überprüfung einschlägiger Lokalitäten wieder auf die Straße. Im Bahnhofsgebäude trifft Wood auf einen Schwarzen (Sidney Poitier), den er sogleich festnimmt und aufs Revier schleppt. Dass der Verdächtige einen Haufen Bargeld bei sich hat, macht ihn auch in den Augen des Polizeichefs verdächtig. Doch dann stellt sich heraus, dass der Schwarze mit Namen Virgil Tibbs einer der besten Detectives der Mordkommission von Philadelphia ist, der nach einem Familienbesuch in Sparta auf seinen Anschluss wartet. 
Als sich Gillespie Tibbs‘ Identität von dessen Vorgesetzten bestätigen lässt, ordnet der Captain an, dass Tibbs seinen Kollegen in Sparta bei der Mordermittlung behilflich sein soll. Davon sind weder Tibbs noch Gillespie begeistert, aber nicht zuletzt Colberts Witwe (Lee Grant) setzt sich dafür ein, dass Tibbs bleibt und den Mord an ihrem Mann aufklärt, wozu die unerfahrenen Cops in Sparta nicht geeignet erscheinen. Tatsächlich zeigt sich Gillespie schnell beeindruckt, wie Tibbs die Sache angeht. Dass bei seinen Ermittlungen aber ausgerechnet der Baumwoll-Fabrikant Eric Endicott (Larry Gates) in den Fokus rückt, behagt Gillespie überhaupt nicht. Mittlerweile formiert sich in der Stadt allerdings ein Lynch-Mob, der Tibbs aus dem Weg räumen will … 

Kritik: 

Drehbuchautor Stirling Silliphant („Die Glut der Gewalt“, „Flammendes Inferno“) hat den Roman „In the Heat of the Night“ von John Ball dem Hauptdarsteller Sidney Poitier auf den Leib geschrieben. In der rassistisch geprägten Atmosphäre in einer Kleinstadt in Mississippi schuften die Schwarzen auf den Baumwollfeldern, während die Weißen für Investitionen, Geschäfte und Ordnung sorgen. In dieser schwülen Umgebung wirkt Virgil Tibbs von Beginn an wie ein Fremdkörper, der gleich nach seiner Entdeckung in dem kleinen Warteraum am Bahnhof festgenommen wird. Seine Identität interessiert weder Woods noch seinen Vorgesetzten. Doch aus der anfänglichen Arroganz gegenüber dem Schwarzen entwickelt sich sehr schnell ein gegenseitiger Respekt. Dabei muss nicht nur Gillespie feststellen, wie stark ihn seine rassistische Einstellung prägt, auch Tibbs kann sich nicht davon freimachen, Ressentiments gegen die Weißen zu hegen. 
Norman Jewison („Cincinnati Kid“, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“) bringt die feindselige Atmosphäre in der Südstaaten-Kleinstadt gut zur Geltung, indem er das Geschehen meist nachts spielen lässt, wenn die Emotionen und Einstellungen am deutlichsten zum Ausdruck kommen, aber eben auch die Einsamkeit des Polizeichefs. Dabei funktioniert „In der Hitze der Nacht“ auf mehreren Ebenen. Was zunächst wie ein klassischer Krimi aufgebaut wird, in dem der Mord an einem Investor aufgeklärt werden soll, entpuppt sich schnell gleichermaßen als Milieu- und Gesellschaftsstudie, in der die offen ausgetragenen Rassenkonflikte ebenso bedeutsam sind wie die Suche nach dem Täter, am krassesten sicher in der Szene, als Tibbs im Beisein von Gillespie den Baumwoll-Fabrikanten Endicott ins Verhör nimmt. Während Endicott seinen Gästen im Gewächshaus seine Orchideen-Pracht vorführt, würzt er seine Bemerkungen immer wieder mit rassistischen Äußerungen und verpasst Tibbs am Ende sogar eine Ohrfeige – die Tibbs prompt erwidert! Tibbs macht damit klar, dass er kein „Nigger“ ist, der wie ein Sklave behandelt wird, sondern ein gut ausgebildeter Cop, der sich zumindest den Respekt seiner Kollegen in der Großstadt im Norden verdient hat. 
Das Rassismus-Thema wird vor allem durch das Gespann Gillespie/Tibbs ausgespielt, wobei sich der Weiße und der Schwarze auf Augenhöhe begegnen und sich allmählich gegenseitig zu respektieren lernen. Dass Rod Steiger („Die Faust im Nacken“, „Todesmelodie“) mit dem Oscar für den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, Poitier aber nicht mal eine Nominierung erhielt, dokumentiert allerdings, dass Hollywood die im Film vermittelte Botschaft noch nicht zur Gänze verstanden hat. 
„In der Hitze der Nacht“ wurde darüber hinaus als bester Film, für den besten Schnitt („Harold & Maude“-Regisseur Hal Ashby), den besten Sound und das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet, außerdem wurden Jewison für die beste Regie und die Soundeffekte nominiert, nicht aber Quincy Jones‘ angenehm zurückhaltender, aber den Film perfekt untermalender Score und der tolle Titelsong von Ray Charles
Mit „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ (1970) und „Die Organisation“ (1971) folgten noch zwei Sequels mit Sidney Poitier in der Hauptrolle, doch spielt die Rassismus-Thematik hier nur noch eine untergeordnete Rolle.  

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