Anatomie einer Entführung

Pieter Jan Brugge hatte sich zuvor vor allem als Produzent einen Namen gemacht, der Filme wie Michael MannsHeat (1995) und „Insider“ (1999) sowie „Bullworth (1998) und „Die Akte“ (1993) zu seinen Credits zählen durfte. Für sein Regiedebüt „Anatomie einer Entführung“ (2004) vereinte er mit Robert Redford, Willem Dafoe und Helen Mirren gleich drei gestandene Hollywood-Profis vor der Kamera.

Inhalt:

Der erfolgreiche Geschäftsmann Wayne Hayes (Robert Redford) hat sich durch harte Arbeit zwar aus eigenen Kräften nach oben gekämpft, sieht nach einer langjährigen Affäre aber seine Ehe mit Frau Eileen (Helen Mirren) vor dem Scheitern. Eines Morgens wird Hayes an seiner Grundstücksauffahrt von einem unscheinbaren Mann namens Arnold Mack (Willem Dafoe) aufgehalten, der vorgibt, Hayes von früher zu kennen. Er zeigt Hayes Fotografien von Eileen am heimischen Pool, setzt sich zu Hayes in den Wagen und zwingt ihn mit vorgehaltener Waffe, in einen Wald zu fahren. Während er Hayes mit Turnschuhen versorgt und ihm die Hände knebelt, wartet Eileen vergebens darauf, dass ihr Mann zum verabredeten Abendessen mit einem befreundeten Paar erscheint, und gibt am nächsten Tag eine Vermisstenanzeige auf. Zusammen mit FBI-Agent Fuller (Matt Craven) und den beiden erwachsenen Kindern Tim (Alessandro Nivola) und Tochter Jill (Melissa Sagemiller) wartet Eileen auf eine Nachricht der Kidnapper. Nach einigen Versuchen der Kontaktaufnahme über Zeitungsannoncen gehen endlich die Forderungen ein: Die Entführer wollen 9,5 Millionen Dollar in Diamanten und eine halbe Millionen Dollar in bar...

Kritik:

Bei „Anatomie einer Entführung“ handelt es sich nur vordergründig um ein Entführungsdrama. Der Originaltitel „The Clearing“ ist da weitaus vieldeutiger. Zwar findet die Entführung schon recht früh statt, doch dient dieses Ereignis allenfalls als Katalysator für das Beziehungsdrama, das sich aus der Entführung entwickelt. Zunächst steht dabei das Duell zwischen Hayes und Mack im Vordergrund. Wenn die beiden Männer allein im Wald auf einem unwegsamen Pfad zur vermeintlichen Hütte unterwegs sind, lernen sich der Entführer und sein Opfer näher kennen. Für den Zuschauer wird schnell klar, dass beide Männer unterschiedliche Welten repräsentieren, hier der Selfmade-Millionär, dort der arbeitslose, gesellschaftlich abgehängte Entführer, der durchaus mit seinem Gewissen zu kämpfen hat, dass er für viel Geld zu einer kriminellen Handlung verführt worden ist. Interessanter ist allerdings die Art und Weise, wie die Ehekrise zwischen Hayes und seiner Frau zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Während Hayes mit dem Status Quo zufrieden zu sein scheint, hadert Eileen noch immer mit dem Umstand, dass sie von ihrem Mann mit einer jüngeren Frau betrogen worden ist. Und obwohl sie durch den FBI-Agenten erfährt, dass die Affäre länger angedauert hat, als es ihr Mann verkündete, bleibt sie ihm gegenüber loyal und stellt sich auch für die Lösegeldübergabe zur Verfügung. Das ist für ein Thrillerdrama ungewöhnlich tiefgründig ausgearbeitet, von den großartigen Darstellern wunderbar gespielt und unaufdringlich inszeniert. Allerdings kommt dabei so gut wie keine Spannung auf, und die Auflösung mag für viele Zuschauer eine Enttäuschung sein, doch Brugge ist selbstbewusst genug, dieses Risiko einzugehen. 

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