1957 inszenierte Sidney Lumet mit seinem Kinodebüt „Die
zwölf Geschworenen“ nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Reginald Rose
einen Klassiker des Justizfilm-Genres. Damals brillierte Henry Fonda als
zunächst einziger Geschworener, der berechtigte Zweifel an der Schuld des
19-jährigen Angeklagten, der seinen Vater erstochen haben soll, in dem Drama,
das in Schwarzweiß in eigentlich nur einem Raum gedreht worden war. Vierzig
Jahre später nahm sich Horror- und Action-Spezi William Friedkin („Der
Exorzist“, „French Connection“, „Leben und sterben in L.A.“) der Geschichte
für eine TV-Neuverfilmung an, wobei Jack Lemmon in der Hauptrolle überzeugen
durfte.
Inhalt:
Ein 19-jähriger Junge aus einem Einwandererghetto wird
angeklagt, seinen Vater in einem Streit am Abend erstochen zu haben, nachdem
dieser ihn seit seiner frühesten Jugend immer wieder geschlagen hat. Sein
Pflichtverteidiger hat vor Gericht wenig dazu beigetragen, die von der Staatsanwaltschaft
vorgebrachten Beweise zu widerlegen. Nun liegt es an den zwölf Geschworenen,
über Schuld bzw. Unschuld, über Leben oder Tod des Angeklagten zu entscheiden –
und zwar einstimmig, wie die Richterin (Mary McDonnell) betonte. Zunächst
sind elf Geschworene (u.a. George C. Scott, James Gandolfini, Tony Danza,
Armin Müller-Stahl, William Petersen und Edward James Olmos) fest
von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Nur der Geschworene Nr. 8 (Jack
Lemmon) äußerst „berechtigte Zweifel“. An diesem laut Wettervorhersage
„heißesten Tag des Jahres“ folgt eine lange, lebhafte, teils hitzige Diskussion
unter den von Herkunft, Hautfarbe, Bildung, Lebensalter und Persönlichkeit sehr
unterschiedlichen Männern. Während einige zu einer möglichst schnellen
Entscheidung drängen, um noch Plänen für den Abend nachgehen zu können, gelingt
es dem Geschworenen Nr. 8 mit Hinweisen auf Schwächen in der Beweisführung erste
Zweifel bei den anderen Geschworenen zu säen. Schließlich fallen einigen von ihnen
ebenfalls Details auf, die im Prozess nicht zur Sprache gekommen sind…
Kritik:
Es mutet schon etwas kurios an, dass ein Filmemacher wie Friedkin,
der in seiner langen Karriere immer wieder grenzüberschreitende Genrefilme
abgeliefert hatte, sich an einem formal relativ zahmen Remake eines Klassikers versucht,
das gar nicht erst versucht, etwas anders zu machen. Zwar filmt er die
ebenfalls fast ausschließlich im Zimmer der Geschworenen stattfindende Handlung
in Farbe, doch die Bühnenvorlage von Reginald Rose übernimmt er ohne
jede Veränderung. Es ist eher die zeitlose Geschichte über Zivilcourage, über
die Bedeutung, sich über Vorurteile und vorschnelle Deutungen hinweg auf das zu
fokussieren, worum es wirklich geht – um das Leben eines Menschen. Im Original
noch zugespitzter „12 Angry Men“ betitelt, geht es hier nicht nur um das
Abwägen von Argumenten, sondern um grundsätzliche Einstellungen. Ausgerechnet
ein schwarzer Geschäftsmann bringt hier lautstark die ganze Sammlung an
Vorurteilen zusammen, die man gegenüber jungen Schwarzen aus den Ghettos
entgegenbringen kann, und es liegt an der besonnenen Darstellung des Geschworenen
Nr. 8, dass die vernünftigen Argumenten Zugänglichen nach und nach ebenfalls
Zweifel an der Schuld des jungen Angeklagten bekommen. Friedkin braucht
bei dem grandiosen Drehbuch nur noch die Kamera auf die Beteiligten zu richten,
und die hervorragenden Darsteller tun das Übrige, um selbst ein 1:1-Remake gut
dastehen zu lassen.
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