Klute

Die Jahre 1967 bis 1974 standen in Hollywood nicht nur im Zeichen unerschrockener Filmemacher wie Martin Scorsese, Sam Peckinpah, George Lucas, Robert Altman, Alan J. Pakula, William Friedkin, John Cassavetes, Sidney Lumet und Arthur Penn, die sich unter dem Banner „New Hollywood“ formaler wie inhaltlicher Beschränkungen des tradierten Studio-Systems in Hollywood entledigten, um beeinflusst von europäischen Filmemachern wie die der Nouvelle Vague neue Arten des filmischen Erzählens zu etablieren, es waren auch die Jahre, in denen der Neo Noir seine erste Hochphase erlebte.  
Alan J. Pakula schuf mit „Klute“ (1971) ein frühes Beispiel gesellschaftskritischer wie spannender Unterhaltung und den ersten Teil seiner „Paranoia“-Trilogie, die er mit den ebenfalls großartigen Werken „Zeuge einer Verschwörung“ (1974) und „Die Unbestechlichen“ (1976) fortsetzte.

Inhalt:

Als Tom Gruneman (Robert Milli), liebender Ehemann und angesehener Ingenieur in der Forschungsabteilung eines Unternehmens in Pennsylvania, eines Tages spurlos verschwindet, findet die Polizei in seinem Büro einen obszönen Brief an die New Yorker Prostituierte Bree Daniels (Jane Fonda). Wie weitere Ermittlungen ergeben, erhielt das Callgirl mehrere Briefe dieser Art von dem bisher unauffälligen Gruneman, doch kann die Polizei auch nach sechs Monaten nichts über das Schicksal des Vermissten feststellen. Doch da Bree Daniels anonyme Anrufe erhält und sich verfolgt fühlt, gehen die Beamten davon aus, früher oder später auf Gruneman zu stoßen, den sie für psychisch instabil halten. Peter Cable (Charles Cioffi), ein hoher Manager in Grunemans Firma, und Ehefrau Holly Gruneman (Betty Murray) beauftragen nun Toms Jugendfreund, den Privatdetektiv John Klute (Donald Sutherland), Grunemans Verschwinden aufzuklären. Er hat zwar noch keine Erfahrungen mit Vermisstenfällen und war auch noch nie in New York, hat aber im Gegensatz zur Polizei ein persönliches Interesse an dem Fall. Die erste Kontaktaufnahme mit Bree Daniels verläuft etwas schroff, doch als er sich ein kleines Zimmer in dem Apartmenthaus der Edelprostituierten einmietet, nimmt er ihre Beschattung auf und kann Bree dann doch ein paar Fragen stellen. Während sie ihr Misstrauen gegenüber Klute langsam abbaut, bringt sie ihn auf die Spur ihrer zwei Kolleginnen, die wie Bree von dem Zuhälter Frank (Roy Scheider) betreut wurden. Als Klute der Identität eines gewalttätigen Freiers immer näherkommt, häufen sich die Todesfälle in Brees Umfeld…

Kritik:

Nach dem Oscar-nominierten Drehbuch von Andy Lewis und David E. Lewis hat Alan J. Pakula („Die Akte“, „Vertrauter Feind“) einen Thriller inszeniert, der vor allem in formaler Hinsicht brillant ist. Die ästhetisierte Kameraarbeit von Pakulas und Woody Allens langjährigem Kameramann Gordon Willis („Manhattan“, „Der Pate“) bringt die Spannungen zwischen dem verängstigten Individuum und der unterkühlten Architektur einer Großstadt perfekt zum Ausdruck, dazu sorgt Michael Smalls minimalistischer, bedrohlicher Score für stimmungsvolle Momente. Während die Identität des aggressiven Callgirl-Kunden für den Zuschauer bald gelüftet wird, tappen Bree und Klute bis zum packenden Finale noch im Dunkeln, aber Pakula nutzt die Zeit, um Brees anfangs diffus wirkende, dann zunehmend konkreter werdende Angst und Paranoia einzufangen. Das ist nicht nur großartig inszeniert, sondern von Jane Fonda („Barbarella“, „Aufstand der Aufrechten“) auch überzeugend gespielt, weshalb sie ihren ersten Oscar für ihre Darstellung verdiente. Sie spielt eine Frau, die zwar freiwillig als Callgirl arbeitet, aber eigentlich eine richtige Schauspielerin sein möchte. Da ihr das nicht gelingt, will sie wenigstens in ihrem Job die Kontrolle behalten, worüber sie auch regelmäßig mit ihrer Therapeutin spricht. In Brees Figur wird das Dilemma des modernen Menschen besonders deutlich, nämlich der Spagat zwischen freier Entfaltung und Rollenspielen, die den Aufstieg in der Gesellschaft ermöglichen.
Aber auch Donald Sutherland („Wenn die Gondeln Trauer tragen“, „Fellinis Casanova“) macht als unerschrockener wie fürsorglicher Privatdetektiv eine gute Figur. Die Chemie vor der Kamera zwischen beiden Akteuren stimmte so hervorragend, dass sich die Beziehung zwischen Fonda und Sutherland auch privat fortsetzte. 

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