Der Dialog
Zusammen mit George Lucas, Martin Scorsese und Steven Spielberg zählte Francis Ford Coppola zu einer neuen Generation von jungen Filmemachern, die inspiriert vom europäischen Autorenkino und jenseits der etablierten Konventionen in Hollywood nach einer eigenen künstlerischen Vision strebten. Nachdem Coppola als Assistent von Roger Corman an der Realisierung von Filmen wie „The Terror – Schloss des Schreckens“ und „Dementia 13“ beteiligt war, gelang ihm 1972 mit dem Mafia-Epos „Der Pate“ der kommerzielle wie künstlerische Durchbruch, der ihm schließlich ermöglichte, mit „Der Dialog“ (1974) ein Herzensprojekt zu verwirklichen.
Unter Abhörspezialisten ist Harry Caul (Gene Hackman) eine Legende. Für seine gut bezahlten Aufträge arbeitet er mit Stan (John Cazale) zusammen, der sich allerdings daran stört, dass Harry so gut wie nichts über seine Arbeit verlauten lässt und nicht die geringste Neugierde an dem Material aufbringt, das er bei seinen Abhöraufträgen sammelt. Auch sonst ist Harry eher der zurückhaltende Typ, der seine Freundin Amy (Teri Garr) nicht zu sich nach Hause einlädt und ihr vormacht, freischaffender Musiker zu sein. Als sie zu neugierig wird, beendet er die Beziehung und konzentriert sich wieder auf seine Arbeit.
Für den mysteriösen „Direktor“ (Robert Duvall) soll Harry ein Paar im Union Square Park in San Francisco überwachen, wobei das Gespräch zwischen Mark (Frederic Forrest) und Ann (Cindy Williams) von drei verschiedenen Positionen aus aufgezeichnet wird. In seinen Geschäftsräumen in einer alten Fabriketage schneidet er die drei Tonmitschnitte zu einer Aufnahme zusammen und versucht, durch verschiedene Entzerrungs- und Rauschfilter den kompletten Dialog gut verständlich zu extrahieren. Vor allem ein Satz, den Mark seiner offensichtlichen Geliebten in der Nähe von Musikern zuflüstert, stellt Harry vor eine Herausforderung, doch schließlich kommt er ans Ziel: „Er würde uns umbringen, wenn er es könnte.“
Harry, der selbst unter der ständigen Angst leidet, überwacht zu werden, missachtet seinen eigenen Grundsatz, nach dem man sich nicht in die Angelegenheiten seiner Klienten einmischen soll, und will mit seinem Auftraggeber sprechen. Stattdessen wird Harry von dessen Assistenten Martin Stett (Harrison Ford) empfangen, doch Harry weigert sich, ihm die Bänder zu übergeben. Schließlich nistet er sich im benachbarten Zimmer in dem Hotel ein, in dem sich Mark und Ann verabredet haben …
Kritik:
Nach seinem eigenen Drehbuch hat Francis Ford Coppola sein sehr persönliches Projekt „Der Dialog“ zwischen seinen ersten beiden epochalen „Der Pate“-Epen realisiert und sich dabei die allgemeine Stimmung der Paranoia nach dem Watergate-Skandal zunutze gemacht. Dabei beschränkt sich Coppola auf das Notwendigste, einen überschaubaren Cast und oft klaustrophobisch wirkende Kulissen, dazu spärliche Musikuntermalung von Coppolas Neffen David Shire und eine unspektakuläre Inszenierung, die nie die Aufmerksamkeit vom Thema ablenkt. Mit Gene Hackman („French Connection“, „Erbarmungslos“) hat Coppola den perfekten Hauptdarsteller gefunden, der ganz in seinem Beruf aufgeht, seine Geräte selbst entwickelt und seine Berufsgeheimnisse ebenso unter Verschluss hält wie sein Privatleben.
Schon die Tatsache, dass seine Vermieterin in seine Wohnung eingedrungen ist, um ihm ein Geschenk zum 44. Geburtstag zu hinterlassen, wühlt ihn auf. Nicht umsonst hat er eine Alarmanlage und drei Schlösser in seiner Wohnungstür installieren lassen. Entsprechend funktional hält er seine Beziehungen zu Frauen, deren Bedürfnisse, ihn näher kennenzulernen er rigoros zum Schutz seiner Identität missachtet. Coppola verstärkt dieses Gefühl der Paranoia dadurch, dass er seinen Harry Caul nicht weiter charakterisiert, außer dass er ein Mann eiserner Prinzipien ist, der keine Gotteslästereien und Einmischungen in sein Privatleben, keine Überraschungen duldet. Wenn er in seinem Apartment Saxophon spielt, dann nur als Begleitmusik zu laufenden Platten, Improvisationen gestattet er sich nicht. Sobald er sein oberstes Prinzip, sich nicht in die Angelegenheiten seiner Mandanten einzumischen, missachtet, gerät sein Leben völlig außer Kontrolle.
Coppola behält die subjektive Perspektive seines völlig in sich gekehrten Protagonisten über den ganzen Film hinweg bei, sodass der Zuschauer unweigerlich in die beklemmende Atmosphäre von Überwachung und Paranoia bis zu seinem verstörenden Finale hineingezogen wird.
Inspiriert von Bernardo Bertoluccis „Der große Irrtum“ (1970 ) und Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) schuf Coppola einen atmosphärisch dichten „Big Brother“-Thriller, der äußerst eindringlich die Angst vor den wachsenden technologischen Möglichkeiten thematisiert, in die individuelle Lebenswelt der Menschen einzudringen, was „Der Dialog“ zu einem zeitlosen Klassiker macht.
In Tony Scotts „Der Staatsfeind Nr. 1“ (1998) kehrte Hackman noch mal in die Rolle des Überwachungsspezialisten zurück.
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