Entscheidung in der Sierra
Der 1887 in New York City geborene Raoul Walsh kann auf eine Vielzahl von Filmen verweisen, die er im Laufe seines 93-jährigen Lebens sowohl als Schauspieler als auch als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur verwirklicht hat. 1939 lieferte er mit „Die wilden Zwanziger“ seinen ersten bemerkenswerten Beitrag zum Film-noir-Genre ab, wenig später folgten „Nachts unterwegs“ (1940) und vor allem „Entscheidung in der Sierra“ (1941), beide Filme mit Humphrey Bogart und Ida Lupino in den Hauptrollen.
Durch gute Beziehungen wird der zu lebenslanger Haft verurteilte Bankräuber Roy Earle (Humphrey Bogart) nach acht Jahren vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, nur um wieder für Gangsterboss Big Mac (Donald McBride) das nächste große Ding zu drehen. Der plant in einem exklusiven Hotel, in dem Louis Mendoza (Cornel Wilde) arbeitet, einen Überfall und hat dazu schon zwei weitere Handlanger in einer Blockhütte in den Bergen untergebracht. Auf dem langen Weg dorthin macht Earle unterwegs die Bekanntschaft von Pa (Henry Travers) und seiner Frau (Elisabeth Risdon), die ihre Enkelin Velma (Joan Leslie) zu ihrer neu verheirateten Mutter bringen wollen. Earle verliebt sich in das zwanzigjährige Mädchen und will ihr mit nach dem geplanten Überfall die Operation ihres Klumpfußes ermöglichen. Als Earle in der High Sierra eintrifft, um mit Red (Arthur Kennedy) und Babe (Alan Curtis) den Coup zu planen, stellt er überrascht fest, dass Babe seine Freundin Marie (Ida Lupino) im Schlepptau hat.
Um unerwünschte Komplikationen zu vermeiden, will Earle Marie zurück nach Los Angeles schicken, doch kann sie ihn überzeugen, sich für die Truppe weiterhin nützlich machen zu können. Trotz eines Zwischenfalls können Earle und seine Leute den Hotelsafe leeren, doch während der Flucht kommt der Wagen mit den drei jungen Männern von der Fahrbahn ab und gerät in Brand. Es dauert nicht lange, bis sich im ganzen Land herumspricht, dass hinter dem Überfall der vorzeitig entlassene Bankräuber Roy Earle steckt, dem es nun mit Marie und dem zugelaufenen Hund Pard, der seinen Vorbesitzern nur Unglück gebracht haben soll, immer schwerer fällt, sich zu verstecken …
Kritik:
„Entscheidung in der Sierra“ bedeutete den Durchbruch für Humphrey Bogart als Schauspieler, nachdem er in den 1930er Jahren noch überwiegend in der Rolle des kleinen Ganoven besetzt wurde, der sich für seine Taten früher oder später eine oder mehrere Kugeln einfing. Im Vorspann wird Bogart auch erst an zweiter Stelle nach Ida Lupino genannt, die zuvor mit Bogart und George Raft bereits in Walshs „Nachts unterwegs“ (1940), aber auch in anderen Filmen wie „Die Abenteuer des Sherlock Holmes“ (1939) und „Künstlerball“ (1937) in Hauptrollen zu sehen war. In „Entscheidung in der Sierra“, zu dem John Huston zusammen mit dem Autor der Romanvorlage, W.R. Burnett, das Drehbuch verfasste, nutzt Bogart überzeugend die Chance, erstmals eine sympathische Figur darzustellen, deren Geschichte an die des prominenten Gangsters John Dillinger (1903-1934) angelehnt ist und deren Motivation, eine Karriere als Gangster zu machen, damit begründet wird, dass seine Familie von ihrer Farm vertrieben worden ist.
Als Earle sich auf den Weg in die Berge macht, lässt er es sich auch nicht nehmen, seinem alten Zuhause einen kurzen Besuch abzustatten, um mit wehmütiger Stimme einen Jungen den Weg zum einst besten Platz zum Fischen zu beschreiben. Earle wird als Mann beschrieben, der stets ehrlich und loyal ist, sowohl seinem sterbenskranken Boss gegenüber als auch den beiden Frauen in seinem Leben. Obwohl Marie sich in ihn verliebt, macht er ihr nichts vor und gesteht ihr, dass sein Herz der jungen Velma gehört, die ihrerseits seine Liebe nicht erwidern kann, obwohl er soviel für sie getan hat.
Bei all dem Unglück in der Liebe und der Durchführung des Überfalls mit der anschließend schwierigen Herausforderung, an seinen Anteil zu kommen, ist das düstere Ende natürlich vorprogrammiert. Bogarts eigener Mischlingshund bringt letztlich auch Earle Unglück, als dieser sich auf der Flucht vor der Polizei in der High Sierra verschanzt.
Nach der temporeichen und packenden Inszenierung der Planung und Durchführung des Überfalls bleibt das fulminante Finale mit der Verfolgungsjagd und dem Showdown im Gebirge vor einer riesigen Schar an Schaulustigen, Pressevertretern und Cops mit den grandiosen Bildern von Oscar-Gewinner Tony Gaudio („Das Geheimnis von Malampur“, „Ein rastloses Leben“) besonders nachhaltig im Gedächtnis.
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