Im Zeichen des Bösen

Mit seinem Regiedebüt „Citizen Kane“ (1941) avancierte Orson Welles zwar über Nacht zum Star in Hollywood, doch waren alle seine weiteren Filme überschattet von Querelen mit den Filmstudios, die nur zu gern die Kontrolle über die Werke des unbequemen Filmemachers übernehmen wollten. Nach den Enttäuschungen, die Welles mit „Der Glanz des Hauses Amberson“ (1942), „Von Agenten gejagt“ (1943), „Der Fremde“ (1946) und „Die Lady von Shanghai“ (1947) in dieser Hinsicht erlebt hatte, präsentierte er 1958 mit „Im Zeichen des Bösen“ seinen letzten Hollywood-Film – zugleich einen eindrucksvollen Schlusspunkt für das Film-noir-Genre. 

Inhalt: 

Der mexikanische Drogenfahnder Mike Vargas (Charlton Heston) überquert während der Flitterwochen mit seiner amerikanischen Frau Susan (Janet Leigh) gerade die Grenze von Los Robles in die USA, als direkt vor ihnen eine Limousine explodiert, die ebenfalls gerade die Grenze passiert hat. Zunächst sind der örtliche Polizeichef Pete Gould (Harry Shannon) und Staatsanwalt Adair (Ray Collins) am Ort des Geschehens. Als wenig später der zuständige Captain Hank Quinlan (Orson Welles) mit Sergeant Pete Menzies (Joseph Calleia) am Tatort eintrifft, teilt ihm Vargas seine Vermutung mit, dass die Bombe bereits in Mexiko am Wagen des reichen Geschäftsmannes Linnekar und der ihn begleitenden Striptease-Tänzerin angebracht worden sein muss. Doch der arrogante und zynische Quinlan, der den Drogenhandel und die Prostitution in dem mexikanischen Grenzstädtchen florieren lässt, verfolgt seine eigenen Instinkten. 
Als er den Schuhverkäufer Manelo Sanchez (Victor Millan), den Freund von Linnekars Tochter Marcia (Joanna Moore), als Hauptverdächtigen präsentiert, bekommt Vargas mit, dass Quinlan seinem Verdächtigen in dessen Wohnung zwei Stangen Dynamit untergeschoben hat, was ihn skeptisch werden lässt, wie Quinlan seine Ermittlungen führt. Während er seine Frau in einem abgelegenen und vermeintlich sicheren Autohotel auf amerikanischer Seite unterbringt, findet Vargas bei seinen Nachforschungen heraus, dass Quinlan schon bei etlichen früheren Fällen offenbar die Beweise gefälscht hat. Quinlan, der seit zwölf Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt hat, sucht Zuflucht bei seiner alten Freundin, der Wahrsagerin Tanya (Marlene Dietrich), wo er sich besinnungslos betrinkt. 
Der zwielichtige Drogenboss „Uncle“ Joe Grandi (Akim Tamiroff) sieht in Vargas‘ Vorgehen eine Chance, mit Quinlan ins Geschäft zu kommen und gemeinsam Vargas aus dem Verkehr zu ziehen. So machen sich Grandis Leute in dem Motel breit, wo Susan vergeblich versucht, zur Ruhe zu kommen, und bringen sie in ihre Gewalt … 

Kritik: 

Orson Welles adaptierte 1958 mit „The Touch of Evil“ den Pulp-Roman „Badge of Evil“ von Whit Masterson (alias Robert Wade und Bill Miller) und stieß wie bei seinen vorangegangenen Filmen erneut auf große Probleme mit der Durchsetzung seiner Vision. Universal lehnte die erste Schnittfassung rigoros ab und brachte den Film mit einer Länge von 96 Minuten in einer stark geänderten Version mit nachgedrehten Szenen in die Kinos – erst 1998 kam die restaurierte Fassung mit zusätzlichen zehn Minuten Laufzeit ans Licht der Öffentlichkeit. 
Welles zeichnet das düstere Bild einer heruntergekommenen Gesellschaft, die durch die mexikanischen Grenzstadt verkörpert wird. Drogen, Prostitution und Gewalt beherrschen das Bild, während einzelne Zeitungsseiten durch die staubigen Straßen geweht werden. Bereits in der berauschenden Eingangssequenz, wenn Kameramann Russell Metty („Der rote Engel“, „Gegen alle Flaggen“) sowohl die langsam durch die Straßen fahrende Limousine des Attentatsopfers als auch die nahezu parallel dazu schlendernden Vermählten sich in Richtung Grenze bewegen, ist meisterhaft inszeniert, und im Verlauf des Films stellt Welles seine Könnerschaft immer wieder unter Beweis, etwa mit den Aufnahmen im Motel, ohne die es Hitchcocks berühmten Klassiker „Psycho“ nie gegeben hätte. 
Aber auch die fesselnden Nahaufnahmen beispielsweise von Marlene Dietrich und Orson Welles, die virtuosen Kamerafahrten und Henry Mancinis großartige Musik, die den lateinamerikanischen Jazz in der Filmmusik etablierte, dürfen hier nicht vergessen werden. Vor allem besticht „Im Zeichen des Bösen“ in der Gegenüberstellung zweier ganz unterschiedlicher Charaktere, hier der mit schwarz gefärbten Haaren geschniegelte Charlton Heston („Ben-Hur“, „Die zehn Gebote“) als Klischee-Mexikaner mit hehren Ambitionen, dort der noch künstlich verfettete Orson Welles als korrupter, desillusionierter Polizeichef, der es nie verwunden hat, dass der Mord an seiner Frau nie aufgeklärt werden konnte. 
Die Sympathien sind dabei nicht so eindeutig verteilt, wie man zunächst meinen könnte. Quinlan ist sich stets sicher, der Gerechtigkeit genüge getan zu haben, was sich auch in diesem Fall bestätigt. Auch wenn Sanchez die Dynamitstangen untergeschoben werden, stellt er sich tatsächlich als Täter heraus. Und Vargas greift schließlich zu ebenso fragwürdigen Mitteln, wenn er Quinlan zu überführen versucht, wobei die Aktion fürchterliche Konsequenzen nach sich zieht. 
„Im Zeichen des Bösen“ erweist sich so als vielschichtiges Kriminaldrama, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse längst aufgeweicht sind und der verkommene und rassistische Quinlan in seinem tragischen Schicksal letztlich menschlicher erscheint als sein geschniegelter wie unsensibler Konkurrent, der für eine neue Generation steht. 
Vor allem in Europa, wo der Film 1958 bei den Cahiers du Cinéma als bester Film ausgezeichnet wurde, stieß „Im Zeichen des Bösen“ bereits nach seinem Erscheinen auf große Begeisterung. Mittlerweile zählt der Film weltweit zu den großen Meisterwerken der Filmkunst. 

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