Der Glückspilz
Der erfolgreiche Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Billy Wilder hat nach seiner imponierenden Film-noir-Phase bereits einige hervorragende Komödien wie „Sabrina“ (1954), „Das verflixte 7. Jahr“ (1955), „Ariane – Liebe am Nachmittag“ (1957), „Manche mögen’s heiß“ (1959) und „Das Appartement“ (1960) inszeniert. Einen weiteren Meilenstein produzierte Wilder mit „Der Glückspilz“ (1966), der ersten Zusammenarbeit zwischen Jack Lemmon und Walter Matthau.
Während der Übertragung eines Football-Spiels der Cleveland Browns wird der für CBS arbeitende Kameramann Harry Hinkle (Jack Lemmon) von dem prominenten Spieler Luther „Boom Boom“ Jackson (Ron Rich) am Spielfeldrand über den Haufen gerannt, worauf Hinkle bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dort harren seine Schwester Charlotte (Marge Redmond), seine Mutter (Lurene Tuttle) und sein Schwager Willie Gingrich (Walter Matthau) darauf, dass Hinkle von der Röntgenuntersuchung auf sein Zimmer gebracht wird. Gingrich ist aber nicht allein aus fürsorglichen Gründen im Krankenhaus. Der auf Schadensersatzansprüche spezialisierte Anwalt sieht in dem Unglück seines Schwagers eine weitere gute Möglichkeit, ein Vermögen von der Versicherungsgesellschaft herauszuholen. So informiert er zunächst die Zeitung von seiner geplanten Klage und weicht fortan nicht mehr von Hinkles Seite, schirmt ihn vor allem von dem besorgten Boom Boom Jackson ab, dem es im Gegensatz zu ihm selbst um das Wohlbefinden des Mannes geht, für dessen Unglück er sich verantwortlich fühlt.
Sobald Hinkle aus der Bewusstlosigkeit erwacht, macht sein Schwager ihm sehr deutlich, dass er längst nicht so gesund zu sein scheint, wie er glaubt, sondern stattdessen an einer Wirbelprellung (die er sich, wie Gingrich von seiner Frau erfährt, allerdings schon in der Kindheit beim Fallen vom Dach zugezogen hat), drei gelähmten Fingern und einem gelähmten Bein leidet. Hinkle will sich zunächst auf diesen Schwindel nicht einlassen, doch als sich seine Exfrau, die mäßig erfolgreiche Werbesängerin Sandy (Judi West), bei ihm meldet, sieht er durch seine simulierten Beschwerden die Chance, sie wieder zurückzugewinnen. Als Hinkle aus dem Krankenhaus entlassen wird, kümmert sich Boom Boom Jackson rührend um den Verletzten, doch sobald auch Sandy auftaucht, werden seine Dienste nicht mehr benötigt.
Derweil verhandelt Gingrich mit den drei Managern der Versicherungsgesellschaft um eine adäquate Entschädigungssumme. Um Hinkle wegen des vermuteten Schwindels zu überführen, lassen sie seine Wohnung durch den Detektiv Purkey (Cliff Osmond) rund um die Ohr mit Kamera und in der Wohnung versteckten Wanzen observieren …
Kritik:
Seit ihrer ersten Zusammenarbeit bei „Ariane – Liebe am Nachmittag“ haben Billy Wilder und I.A.L. Diamond die Drehbücher zu fast allen von Wilders Regiearbeiten gemeinsam verfasst und dabei eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte kreiert. „Der Glückspilz“ ist eine wunderbar inszenierte Geschichte darüber, wie die Geldgier Menschen, Gefühle und Beziehungen korrumpiert, wobei die Rollen klar verteilt sind. Jack Lemmon spielt das tragische Unglücksopfer, das sich allerdings von seinem windigen, geldgierigen und betrügerischen Schwager letztlich anstecken lässt, weil er selbst einen Vorteil aus der konstruierten Geschichte zu ziehen hofft, der allerdings nicht in den Reichtümern liegt, die sein Schwager vermeintlich in einer gemeinnützlichen Stiftung anlegen will, sondern in der Rückgewinnung seiner Ex-Frau, die sich allerdings auch nur wegen des erwarteten Geldsegens in der Wohnung ihres Ex-Mannes einnistet. Unter diesem Arrangement hat vor allem der Football-Spieler zu leiden, der von seinen Schuldgefühlen alles unternimmt, um Hinkle wieder auf die Beine zu bringen, und dabei seine Karriere den Bach runtergehen lässt.
Genüsslich anzusehen sind die Tricks, mit denen sich der gerissene Anwalt und die Manager der Versicherung gegenseitig auszuspielen versuchen. Mit seinem temperamentvollen Spiel hat Walter Matthau, der während der Dreharbeiten einen Herzinfarkt erlitt und 14 Kilo an Gewicht verlor, zurecht einen Oscar als bester Nebendarsteller erhalten. Jack Lemmon hatte auf Walter Matthau als seinen Partner in diesem Film bestanden und so Frank Sinatra und Jackie Gleason ausgebootet, die zuvor in der Rolle des Anwalts besetzt werden sollten. Es sollte der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Lemmon und Matthau bei neun weiteren Filmen (u.a. „Ein seltsames Paar“ und „Extrablatt“) werden. Gemeinsam verleihen sie der hintersinnigen, von pointiertem Dialogwitz geprägten Komödie einen unverwechselbarem Charme, der bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren hat.
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