Die schwarze Natter

Delmer Daves hatte schon einige Drehbücher (u.a. für den Humphrey-Bogart-Film „Der versteinerte Wald“) geschrieben, bevor er 1943 mit „Bestimmung Tokio“ (mit Cary Grant in der Hauptrolle) auch sein erfolgreiches Debüt als Regisseur feiern durfte. Nachdem er 1947 mit „The Red House“ auch seinen ersten überzeugenden Film-noir-Beitrag abgeliefert hatte, folgte noch im selben Jahr mit „Dark Passage“ sein nächster Film der Schwarzen Serie. Weniger als die Story überzeugen hier Humphrey Bogart und Lauren Bacall in ihrer dritten Zusammenarbeit nach „Haben und Nichthaben“ (1944) und „Tote schlafen fest“ (1946) und die gelungene Inszenierung. 

Inhalt:

Der zu Unrecht wegen der Ermordung seiner Frau verurteilte Vincent Parry (Humphrey Bogart) flieht aus dem Gefängnis San Quentin, wo er eine lebenslange Haftstrafe absitzen sollte, und macht sich per Anhalter auf dem Weg nach San Francisco. Nach einem Zwischenfall, bei dem sich Parry eines aufdringlichen Fahrers entledigen musste, wird der entflohene Häftling von einer schönen Fremden namens Irene Jansen (Lauren Bacall) aufgelesen, die ihn zu sich nach Hause schmuggelt und mit einem schicken Anzug versieht. Wie Parry schnell feststellt, ist seine Retterin mit seinem Fall vertraut, hat sogar die Gerichtsverhandlung verfolgt. 
Ihr verstorbener Vater ist nämlich auf ähnliche Weise Opfer eines Fehlurteils geworden. Nun ist Parry von dem Drang getrieben, den wahren Mörder seiner Frau ausfindig zu machen. Ein Taxifahrer macht ihn mit dem Chirurgen Dr. Coley (Houseley Stevenson) bekannt, der Parry einer Gesichtsoperation unterzieht. Da er seinen Kopfverband einige Zeit tragen muss, nicht sprechen darf und nur flüssige Nahrung zu sich nehmen kann, sucht Parry erneut Zuflucht bei Irene Jensen, denn mittlerweile wurde auch Parrys bester Freund George (Rory Mallinson) ermordet, wofür wiederum Parry verantwortlich gemacht wird. Um der Wahrheit näherzukommen, sucht Parry schließlich die Frau auf, die ihn damals durch ihre Falschaussage erst hinter Gitter gebracht hat, Madge Rapf (Agnes Moorhead) … 

Kritik: 

Nach dem Roman von David Goodis inszenierte Delmer Daves 1947 einen ungewöhnlichen Film noir, der zwar typische Elemente des Genres wie den Antihelden, der seine Unschuld zu beweisen versucht, und ungewöhnliche Zufälle aufweist, vor allem aber durch seine innovative Inszenierung besticht. Im ersten Drittel des Films bekommt der Zuschauer nämlich nicht ein einziges Mal das Gesicht der Hauptfigur zu sehen. Die Geschichte wird meist aus der Egoperspektive erzählt, im Bild sieht man meist nur Parrys Arme oder sein im Schatten verstecktes Gesicht, wenn die Perspektive zum Gegenüber wechselt. 
Die Suche nach der Wahrheit verläuft eher nach konventionellem Schema und bietet wenig Überraschungen. Doch der Weg zum unweigerlichen Happy End ist mit etlichen Zufällen gespickt, die Parrys Zeitgenossen ungewöhnlich schnell erkennen lassen, mit wem sie es zu tun haben, die ihn zu einem Schönheitschirurgen führen, der ihm ein perfektes neues Gesicht verpasst, der im Wartesaal des Busdepots zwei einsame Menschen zueinander führt. Neben der Gewalt ist Einsamkeit das große und auch ungewöhnliche Thema des Films, der in Deutschland unter dem irreführenden Titel „Die schwarze Natter“, aber auch „Das unbekannte Gesicht“ bekannt geworden ist. 
Einsamkeit wird als Mordmotiv etabliert und führt letztlich auch Parry und Irene zusammen. Neben diesem Traumpaar überzeugen aber auch die charismatischen Nebenfiguren, allen voran Agnes Moorhead („Citizen Kane“, „Wiegenlied für eine Leiche“) als verbitterter Racheengel, Houseley Stevenson („Kidnapped“, „Gefährten des Grauens“) als eigensinniger Schönheitschirurg und Tom D’Andrea („Humoreske“) als hilfsbereiter Taxifahrer. 
Zusammen mit Sidney Hickox‘ („Tote schlafen fest“, „Maschinenpistolen“) wundervoller Kameraarbeit und Daves‘ stilsicherer Inszenierung ist „Die schwarze Natter“ ein durchaus sehenswerter Genre-Beitrag. 

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