Die Faust der Rebellen

Als er seinen ersten Spielfilm „Wer klopft denn da an meine Tür?“ realisierte, bastelte Martin Scorsese noch an seinem Master-Abschluss und brauchte letztlich vier Jahre bis zur Fertigstellung, was man dem Film leider auch bei den wechselnden Filmformaten und Kameraleuten ansah. Nach einem Kurzfilm („The Big Shave“) und der Dokumentation „Street Scenes“ bekam Scorsese schließlich das Angebot von B-Movie-Produzent Roger Corman, eine Fortsetzung seines Gangsterfilms „Bloody Mama“ (1970) zu drehen, wofür ihm 24 Tage Drehzeit und 600.000 Dollar zur Verfügung standen. Auch wenn es sich um eine Auftragsarbeit handelt, lässt „Die Faust der Rebellen“ (1972) bereits in Ansätzen die Handschrift des späteren Meisterregisseurs erkennen. 
 

Inhalt:

Während der Großen Depression muss die 16-jährige Farmerstochter Bertha Thompson (Barbara Hershey) mitansehen, wie ihr Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt. Als Waisenkind verbringt sie nun ihr Leben auf der Straße und wird dabei zunächst unter die Fittiche des Afroamerikaners Von Morton (Bernie Casey) und des kämpferischen Gewerkschafters Big Bill Shelly (David Carradine) genommen. Shelley verführt das Mädchen in einem Güterzugwaggon und ist am nächsten Morgen verschwunden, hat ihr aber etwas Geld hinterlassen. Beim Würfelspiel gelingt es Bertha, das Geld zu vermehren, wobei sie den gut gekleideten Spieler Rake Brown (Barry Primus) kennenlernt und mit ihm weiterzieht. Als es bei einer Pokerrunde des Falschspiels überführt wird, erschießt Bertha Rakes Widersache und flieht mit ihm auf einen Güterzug, wo sie Shelly wiedertrifft. Als die Polizei den Güterwaggon stürmt, hat Shelly seine Geliebte bereits außer Gefahr gebracht. Er selbst wird mit den anderen Männern in Gewahrsam genommen und trifft in der Arrestzelle seinen Freund Von Morton wieder, wo sie nach Widerstand gegen einen brutalen Polizisten ein Massaker durch die Killer von H. Buckram Sartoris (John Carradine), Chef der Eisenbahngesellschaft, überleben und zur Zwangsarbeit verdonnert werden. 
Als sie durch Berthas Geschick fliehen können, nehmen Shelly und seine Leute ihren Kampf für mehr Lohn und gegen Sartoris auf. Sie überfallen Banken und lassen von den Bankangestellten jeweils 10 Dollar mehr in die Lohntüten der Bahnarbeiter stecken, rauben Züge aus und stürmen sogar eine Privatparty des Eisenbahners, um seinen Gästen ihren Schmuck abzunehmen. Doch beim nächsten Überfall der Bande ist Sartoris vorbereitet … 

Kritik: 

Für Martin Scorsese begann Anfang der 1970er Jahre eine aufregende Zeit. Kaum war er in Hollywood gelandet, machte er die Bekanntschaft von Francis Ford Coppola, George Lucas und Steven Spielberg – und von Roger Corman, der ihm eine zunächst wenig ansprechende Auftragsarbeit anbot, eine Art Bonny-und-Clyde-Geschichte während der Weltwirtschaftskrise. Das Drehbuch umfasste 200 Seiten, mit denen Scorsese nach eigenem Gutdünken verfahren durfte. Er habe nur darauf zu achten, alle 15 Seiten eine Nacktszene einzubauen, und am Ende sollte auch eine Verfolgungsjagd das Ganze abrunden. Am Ende hatte Scorseses Film abgesehen von den Hauptfiguren nur noch wenig mit Ben Reitmans Buchvorlage „Sister of the Road: The Autobiography of Boxcar Bertha“ zu tun. 
Im Mittelpunkt steht die erotisch aufgeladene Liebesgeschichte zwischen der jungen „Boxcar“ Bertha und des Gewerkschaftsaktivisten Shelly, wobei Barbara Hershey und David Carradine damals bereits ein Paar waren.  
Scorsese hat bereits in der nachgedrehten Liebesszene in „Wer klopft denn da an meine Tür?“ bewiesen, wie einfühlsam und frisch er mit dieser Art von Bildern umzugehen versteht, und überzeugt auch hier mit einer sehr natürlichen und geschickten Kameraführung. Für eine Corman-Produktion gelingt es Scorsese sehr gut, den etwas naiv anmutenden antikapitalistischen Grundton der Erzählung mit dem Exploitation-Charakter dieser Art von B-Movies zu verknüpfen. 
„Die Faust der Rebellen“ enthält genug nackte Haut und Action, um keine Langeweile beim Publikum aufkommen zu lassen. Dazu zeigen die witzigen Szenen im Bordell, in dem Bertha zwischenzeitlich arbeitet und Scorsese einen Cameo-Auftritt als Freier hat, dass der junge Filmemacher mit frischen Ideen ans Werk gegangen ist. Mit „Die Faust der Rebellen“ hat Scorsese ein Exploitation-Drama mit gesellschaftskritischen Ton angeschlagen, der für Filme, die in dieser Ära spielen, typisch ist. Zugleich hat er mit der überzeugend von Barbara Hershey („Die letzte Versuchung Christi“, „Black Swan“) dargestellten Bertha eine starke Frauenfigur geschaffen, die sich in einer von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägten Welt zu behaupten versteht. Seinen eigenen Ton sollte Scorsese allerdings erst mit seinem nächsten Film finden: „Hexenkessel“.  

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