Küss mich, Dummkopf
Seit Mitte der 1950er Jahre hat sich Billy Wilder mit Filmen wie „Sabrina“, „Das verflixte 7. Jahr“, „Ariane – Liebe am Nachmittag“, „Manche mögen’s heiß“, „Das Appartement“ und „Eins, zwei, drei“ zu einem Meister der hintersinnigen Komödien einen Namen gemacht, wobei er gern die Scheinheiligkeit und Doppelmoral der Menschen oft mit satirischem, frivolem und bissigem Witz entlarvte. Auch in dem 1964 entstandenen Werk „Küss mich, Dummkopf“ schockierte Wilder seine prüden Zeitgenossen, so dass die musikalische Sittenkomödie zunächst bei Kritikern und Publikum durchfiel.
Orville J. Spooner (Ray Walston) lebt als Klavierlehrer in der Kleinstadt Climax, Nevada, wo er nicht nur damit beschäftigt ist, private Klavierstunden zu geben, sondern vor allem eifersüchtig darauf aufzupassen, dass seine ebenso junge wie attraktive Frau Zelda (Felicia Farr) weder vom Milchmann, noch von frühreifen Teenagern oder dem Zahnarzt vernascht wird. Wie problematisch seine pathologische Eifersucht ist, erweist sich allerdings erst, als der berühmte Schlagersänger und Entertainer Dino (Dean Martin) auf dem Weg von Las Vegas nach Hollywood wegen einer Straßensperre eine Umleitung fahren muss und in Climax seinen Wagen auftanken will. Der Tankwart Barney Millsap (Cliff Osmond), der zusammen mit seinem Freund Orville auch Songs schreibt und davon träumt, eines Tages mit seiner Musik berühmt zu werden, erkennt den berühmten Star und setzt sofort alles daran, Dino am Weiterfahren zu hindern. Er manipuliert bei der vermeintlichen Kontrolle des Ölstandes die Benzinpumpe und bringt Dino so dazu, die Nacht in Climax zu verbringen.
Dieser Aufenthalt will aber gut organisiert sein, denn die beiden Amateur-Songschreiber wollen die Gunst der Stunde nutzen, ihrem berühmten Gast ihre Songs in der Hoffnung vorzuspielen, dass er einige von ihnen in sein Programm aufnimmt. Damit der Plan funktioniert, beschwört Orville einen künstlichen Ehekrach herauf, so dass Zelda schließlich empört zu ihrer herrischen Mutter flieht, während als Orvilles Ehefrau-Ersatz die „Belly Button“-Bedienung Polly the Pistol (Kim Novak) dafür sorgen soll, dass sich Dino rundherum wohl fühlt. Der Plan scheint aufzugehen, doch als Dino Pistolen-Polly gegenüber immer aufdringlicher wird, zieht der wieder einmal eifersüchtige Orville die Notbremse …
Kritik:
Nach dem Theaterstück „L'Ora della Fantasia“ von Anna Bonacci haben Billy Wilder und I.A.L. Diamond mit „Küss mich, Dummkopf“ eine weitere frivole Komödie kreiert, die mit großartiger Untermalung mit Songs von Ira und George Gershwin das vertraute Terrain von Liebe, Eifersucht und käuflicher Liebe thematisieren. Leider stand Wilders Lieblingsschauspieler Jack Lemmon, mit dem er zuvor „Manche mögen’s heiß“ (1959), „Das Appartement“ (1960) und „Das Mädchen Irma la Douce“ (1963) realisiert hatte, wegen anderer Verpflichtungen nicht zur Verfügung, und auch Peter Sellers fiel nach einer Herzattacke aus, so dass schließlich Ray Walston („Je länger, je lieber“, „Das Appartement“) die Rolle des eifersüchtigen Klavierlehrers und Songwriters erhielt.
Während Walston und Cliff Osmond („Das Mädchen Irma la Douce“, „Extrablatt“) als etwas tollpatschiges Songwriter-Duo die Handlung schwungvoll vorantreiben, darf Dean Martin („Der Prügelknabe“, „Alles um Anita“) sich über sich selbst lustig machen. Am beeindruckendsten sind aber die beiden Frauenrollen ausgefallen. Sowohl Felicia Farr („Der Zwiebelkopf“, „Die Unerbittlichen“) als Orvilles selbstbewusste Ehefrau als auch Kim Novak („Vertigo – Aus dem Reich der Toten“, „Meine Braut ist übersinnlich“) überzeugen als starke Frauen, die nicht im Schatten der Männer stehen, von denen sie finanziell abhängig sind, sondern sie verstehen es sehr gut, ihre Qualitäten so ins Spiel zu bringen, dass die Männer schließlich nach ihrer Pfeife tanzen.
Aus dem komplizierten Arrangement, das die beiden Songschreiber entwickeln, um ihre Kompositionen bekannt zu machen, resultiert schließlich ein munterer Liebesreigen, der für die Sittenwächter damals wohl etwas zu viel des Guten gewesen ist. Vor allem die aufdringlichen Anmachversuche von Dean Martins Dino und Kim Novaks freizügige Garderobe haben für Aufsehen gesorgt und die Katholische Kirche auf den Plan gerufen. Mittlerweile zählt diese weniger bekannte Wilder-Produktion mit ihrer bissigen Parodie auf Starkult und der unbarmherzigen Verurteilung von unmoralischen Trieben aber ebenfalls zu den großen Filmen, die Wilder in seiner Karriere inszeniert hat, wobei die von Ira und George Gershwin komponierten Songs ebenso wunderbar unterhalten wie die gewohnt pointierten Dialoge.
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