Von Agenten gejagt

Die Geschichte von Orson Welles ist vor allem eine Geschichte der Rückschläge. So schnell er 1941 mit „Citizen Kane“ zu Hollywoods Wunderkind aufstieg, fiel er schon mit seinen nächsten Produktionen ebenso schnell wieder in den Abgrund. Sein romantisches Drama „Der Glanz des Hauses Amberson“ (1942) wurde in der Nachproduktion, über die Welles keinerlei Kontrolle mehr hatte, um eine ganze Stunde zusammengestückelt. Ähnlich erging es seinem nächsten Film „Von Agenten gejagt“ (1943). RKO Pictures, die die Filmrechte an Eric Amblers 1940 erschienenen Roman „Journey Into Fear“ erworben hatten, ließen Orson Welles zwar zusammen mit Joseph Cotten das Drehbuch schreiben, doch für die Nachbearbeitung erhielten sowohl Welles als auch seine Freunde und Mitstreiter vom Mercury Theatre von RKO Hausverbot. Am Ende weist der auf 68 Minuten zusammengekürzte Film noir eine nur bruchstückhaft erzählte Agenten-Story.

Inhalt:

Während der US-amerikanische Rüstungstechniker Howard Graham (Joseph Cotten) und seine Ehefrau Stephanie (Ruth Warrick) sich auf dem Weg aus der Türkei, wo Graham als Berater für die türkische Kriegsmarine tätig gewesen ist, zurück in die Heimat in Istanbul für eine Nacht im Hotel einchecken, werden sie vom dem Auftragsmörder Banat (Jack Moss) beobachtet. An der Rezeption erfahren die Grahams, dass sie bereits von einem Mann (Everett Sloane) erwartet würden, der sich ihnen schließlich als Kopeikin vorstellt. In seiner Funktion als lokaler Handelsvertreter von Grahams US-amerikanischen Arbeitgeber Bainbridge & Sons lädt er sich selbst zu einem nächtlichen Imbiss im Hotelzimmer der unangenehm berührten Grahams ein und entführt den Mann schließlich in einen Nachtclub, wo Graham zunächst die exotische Artistin Josette (Dolores del Rio) kennenlernt und dann zum Auftritt eines Magiers auf die Bühne gebeten wird. Während der Vorführung des Zauberstücks wird Graham an ein Kreuz gefesselt, der Magier steigt in einen Sarg, dann wird das Licht gelöscht. Ein Schuss ertönt, das Licht geht wieder an, nun liegt Graham im Sarg und beobachtet entsetzt, wie der an seiner Stelle am Kreuz gefesselte Magier tödlich von einer Kugel getroffen worden ist. 
Im Hauptrevier der Geheimpolizei macht Colonel Haki (Orson Welles) Graham darauf aufmerksam, dass eigentlich er das Ziel der Attentäter gewesen sei. Offensichtlich würden Naziagenten – namentlich Mueller (Eustace Wyatt) und Banat – mit allen Kräften zu verhindern versuchen, dass die Alliierten im Schwarzen Meer die angeforderte Verstärkung erhalten. Statt wie geplant den Zug für die Weiterreise zu benutzen, soll Graham einen Frachter benutzen, wo er sich aber schnell weiteren zwielichtigen Gestalten ausgesetzt sieht … 

Kritik:

Nachdem sich Alfred Hitchcock in Filmen wie „Der Mann, der zuviel wusste“ (1934), „Die 39 Stufen“ (1935), „Geheimagent“ (1936) und „Eine Dame verschwindet“ (1938) als Meister des Spionage-Thrillers etablierte und dabei gern Unschuldige in die Wirren gegeneinander agierender Agenten geraten ließ, versuchte sich auch Orson Welles in diesem Metier und adaptierte zusammen mit seinem Schauspielkollegen Joseph Cotten einen Roman von Eric Ambler. Welles sollte ursprünglich auch die Regie führen, musste wegen vielerlei anderer Verpflichtungen aber von diesem Job wieder Abstand nehmen.
Dass das Ergebnis letztlich nicht gänzlich überzeugen kann, ist wohl eher der stümperhaften Nachbearbeitung durch das Studio anzulasten als Orson Welles oder seinem Freund Norman Foster, der sich zuvor einen Namen durch die „Charlie Chan“- und „Mr. Moto“-Filme machen konnte. Während die Darsteller und die stimmungsvolle Kameraarbeit von Karl Struss („Ein gefährlicher Rivale“) durchweg überzeugen können, verliert die Geschichte nach vielversprechendem Auftakt schnell ihren Reiz, da die rasant wechselnden Örtlichkeiten und involvierten Figuren zwar das Tempo erhöhen, dafür aber kaum die Möglichkeit bieten, sich in die Motivationen der unterschiedlichsten Teilnehmer einzufühlen. So stolpert Joseph Cotten („Der Glanz des Hauses Amberson“, „Das Haus der Lady Alquist“) durch eine in der Kürze viel zu undurchsichtige Spionage-Geschichte, die am Ende kaum auflöst, wer für den Tod der Männer verantwortlich ist, die im Verlauf des Films ihr Leben lassen mussten. 

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