Reporter des Satans
Seit Billy Wilder in den USA seine neue Heimat gefunden hatte, legte er mit seinen Dramen stets die Finger in die Wunde gesellschaftlicher Missstände. So avancierte „Das verlorene Wochenende“ (1945) zum ersten Hollywood-Film, der die seelischen Qualen eines Alkoholikers exzessiv zur Schau stellte, mit „Boulevard der Dämmerung“ (1950) rechnete er auf bitterböse Weise mit der Traumfabrik ab, um ein Jahr darauf mit „Reporter des Satans“ die Yellow Press und die menschlich Sensationsgier ins Visier zu nehmen. Kirk Douglas liefert als skrupelloser Reporter eine seiner besten Leistungen seiner Schauspiel-Karriere ab.
Der einst angesehene Reporter Chuck Tatum (Kirk Douglas) ist nach etliche Verfehlungen durch Ehebruch, Alkoholismus und Verleumdung am Ende seiner Karriere. Da er bei allen größeren Zeitungen des Landes keine Aussicht auf eine Anstellung hat, tingelt er mittellos durch die Provinz, sein defektes Auto am Haken eines Abschleppwagens. In Albuquerque, New Mexico, bittet er den Fahrer, vor der Redaktion des Albuquerque Sun Bulletin anzuhalten. Für 60 Dollar die Woche lässt er sich von dessen Chefredakteur Jacob Q. Boot (Porter Hall) anheuern, der überall in der Redaktion Stickbilder mit dem Motto „Tell the Truth“ hängen hat. Tatum macht jedoch keinen Hehl daraus, dass er von der Wahrheit nichts hält, ebenso wenig von guten Nachrichten, denn seine ersten Erfahrungen in der Zeitungsbranche – als Zeitungsverkäufer – haben ihn gelehrt, dass sich nur schlechte Nachrichten gut verkaufen lassen.
Die Arbeit in Albuquerque erweist sich für ein Jahr lang als absolut langweilig, doch Tatum bleibt trocken. Als er zusammen mit dem jungen Zeitungsfotografen Herbie Cook (Robert Arthur) von einer Schlangenjagd berichten soll, landen sie in einem Wüstenkaff, wo sie an der Tankstelle aber nur eine betende Frau antreffen und dann von Polizeisirenen zu einer Höhle in den Bergen gelockt werden. Auf dem Weg dahin sammeln sie Lorraine Minosa (Jan Sterling) ein, die den beiden Reportern erzählt, dass ihr Mann Leo (Richard Benedict) bei der Suche nach indianischen Reliquien in der Höhle verschüttet worden ist. Tatum wittert sofort eine verkaufsträchtige Geschichte, betritt mit Cook die vor dem völligen Einsturz bedrohte Höhle und kann durch eine schmale Öffnung schließlich mit Leo reden und sogar Fotos von ihm mit der Vase schießen, die er dort gefunden hat. Während vor der Höhle bereits Anstalten getroffen werden, das morsche Gestein zu stützen und den Gang zu Leo auszuschalen, kann Tatum den zuständigen Vorarbeiter dazu überreden, eine langwidrigere Methode anzuwenden, nämlich eine Bohrung von oben durchzuführen. Die würde gut eine Woche in Anspruch nehmen und Tatum die nötige Zeit verschaffen, möglichst lange und vor allem exklusiv von dieser Story zu berichten. Dazu holt er nicht nur den Sheriff Gus Kretzer (Ray Teal) ins Boot, dem er glänzende Aussichten zu dessen Wiederwahl verspricht, sondern auch Leos Frau, die ihren Mann längst verlassen wollte, nun aber die Chance ergreift, durch den öffentlichen Rummel das nötige Geld für einen Neuanfang zu verdienen. Tatums Plan scheint voll aufzugehen, sogar sein alter Job in New York scheint wieder in greifbare Nähe gerückt zu sein, doch dann wird die Zeit für Leo knapp. Eine Lungenentzündung setzt dem Verschütteten so sehr zu, dass seine Rettung fraglich erscheint …
Kritik:
Billy Wilder, der zusammen mit Lesser Samuels und Walter Newman auch das Drehbuch schrieb und den Film produzierte, ließ sich für „Ace in the Hole“ – so der Originaltitel – von einer wahren und auch im Film erwähnten Begebenheit inspirieren, nach der Floyd Collins im Jahr 1925 einen neuen Eingang zur Crystal Cave in Kentucky finden wollte, in einer Höhle eingeschlossen wurde und bei anhaltendem Medienrummel starb, bevor er gerettet werden konnte.
Im Mittelpunkt von „Reporter des Satans“ steht mit Chuck Tatum der Inbegriff eines zynischen Reporters, der für eine gute und damit in seinen Augen verkaufsträchtige Geschichte über Leichen geht. Das macht er wortgewaltig und temperamentvoll bei seinem Bewerbungsgespräch in Albuquerque ebenso deutlich wie bei seinem berechnenden Vorgehen an der Höhle, wo er sich das Vertrauen des verschütteten Schatzsuchers erschleicht und sich dann als sein vermeintlicher Retter aufspielt, der in Wahrheit die Rettungsarbeiten absichtlich korrumpiert, um die Story von Leos Rettung besser ausschlachten zu können.
Doch Wilder präsentiert nicht nur ein entlarvendes Portrait eines egoistischen und ruhmsüchtigen Reporters und einer Branche, der er angehört, sondern macht auch mit dem Publikum der Sensationspresse kurzen Prozess. Anschaulich bebildern Wilder und sein vorzüglicher Kameramann Charles Lang („Charade“, „Sabrina“) die Gier der Menschen, an dem Unglück des armen Mannes teilzuhaben. Wagenkolonnen und Sonderzüge machen aus der Wüstenlandschaft vor dem Berg einen Rummelplatz mit Musikbühne, Riesenrad und Verkaufsständen, Lorraine nimmt in dem Restaurant täglich 150 Dollar ein und freut schon auf den ersten Tausender in ihrem Leben.
Wilder präsentiert auf eindringliche Weise die Schattenseiten des Amerikanischen Traums von Ruhm und schnellem Reichtum, indem er auch das Schicksal derjenigen im Fokus hat, auf deren Rücken diese vermeintlich erstrebenswerten Errungenschaften erkauft werden. Als der Film – unter dem geänderten Titel „The Big Carnival“ – in den Kinos anlief, wurde er zum Flop und kam auch bei den Kritikern nicht gut an. Heute zählt „Reporter des Satans“ definitiv zu den besten und bittersten Filmen in Wilders Werksbiografie und hat von seiner Aussagekraft über all die Jahre nichts verloren.
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