Cigarette Burns

Nach seinen letzten desaströsen Filmen, die der einst so für Meisterwerke wie „Assault – Anschlag bei Nacht“, „Halloween“, „The Fog – Nebel des Grauens“ und „Die Klapperschlange“ gefeierte John Carpenter seit Mitte der 1990er Jahre inszenierte – „Das Dorf der Verdammten“, „Flucht aus L.A.“ und „Ghosts of Mars“ – musste man fast schon befürchten (oder auch hoffen), dass der Filmemacher aufsteckt und sich nur noch seiner Musik widmet. Doch für die an Serienformaten wie „Geschichten aus der Gruft“ angelehnte Anthologie „Masters of Horror“ ließ sich Carpenter auf ein Stelldichein mit prominenten Genre-Kollegen wie Dario Argento, Tobe Hooper, Stuart Gordon, Joe Dante und Larry Cohen ein und präsentierte mit „Cigarette Burns“ einen einstündigen Horror-Schocker, der endlich wieder einige von Carpenters früheren Qualitäten aufweist. 

Inhalt: 

Mit seinem kleinen Programmkino „Vogue“ steht Kirby Sweetman (Norman Reedus) kurz vor dem Aus, denn Walter (Gary Hetherington), der wohlhabende Vater seiner Freundin Annie (Zara Taylor), hat ihm einst mit einem Darlehen von 200.000 Dollar erst ermöglicht, das Kino zu kaufen und zu sanieren – unter der Voraussetzung, dass Kirby sowohl sich selbst als auch Annie von der Nadel wegholt. Nachdem sich seine Tochter aber umgebracht hat, verlangt Walter sein Geld zurück. Da Kirby natürlich nicht flüssig ist, nimmt er den Auftrag des exzentrischen Millionärs Mr. Bellinger (Udo Kier) nur zu gern an. Kirby, der sich auf das Aufspüren seltener und obskurer Filme spezialisiert hat, soll „La Fin Absolue du Monde“ (deutsch: Das absolute Ende der Welt) von Hans Backovic aufspüren. 
Der Film wurde nur einmal auf einem Festival in Europa gezeigt und verstörte das Publikum so sehr, dass die Vorführung in einem Blutbad und einem Brand im Kino endete. 
Seither gilt der Film als verschollen. Kirbys Spürsinn lässt ihn auch diesmal nicht im Stich. Er macht die wenigen Leute ausfindig, die an der Produktion des Films beteiligt waren, einen Kritiker und sogar Backovics Witwe Katja (Gwynyth Walsh), doch trotz aller Warnungen setzt Kirby die Suche nach dem Film fort, lässt sich nicht davon beeindrucken, dass alle, die mit dem Film in Berührung kamen, dem Wahnsinn verfallen sind. Selbst Kirby nimmt verstärkt Brandlöcher wahr, die die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen lassen … 

Kritik: 

Zu den letzten wirklich gelungenen Filmen von John Carpenter zählt der 1994 entstandene Film „Die Mächte des Wahnsinns“, in dem Sam Neill einen Versicherungsdetektiv spielt, der einen verschwundenen Bestseller-Autor suchen soll, der mit seinen Horror-Büchern seine Leserschaft in einen dämonischen Bann zieht. Mit dieser leicht abgewandelten Idee überzeugt auch „Cigarette Burns“, nur dass die Kunstgattung von der Literatur zum Film wechselt. Das bietet Carpenter die Möglichkeit, einen wunderbar schillernden Mythos um die Entstehung und Wirkung des Films zu entwickeln. 
Als Beweis für die Existenz einer Kopie des verschollenen Films dient zum Beispiel eine von ihren Engel-Flügeln gewaltsam befreite weißhäutige und gefesselte Kreatur, die Bellinger in seiner Kammer voller Reliquien obskurer Filme gefangen hält und die selbst verkündet, dass ihr Leben unmittelbar mit dem Film verknüpft sei. Später sind es Standbilder aus dem Film oder auch Ausschnitte mit drastischen Gewalttaten, die andeuten, warum „La Fin Absolue du Monde“ eine so verstörende Wirkung auf den Betrachter habe. 
„Cigarette Burns“ entwickelt sich hier ähnlich wie Roman Polanskis „Die neun Pforten“ zu einer unverkennbar gefährlichen Suche, die vor allem die Neugier des Suchenden befriedigt, trotz aller lebensbedrohlichen Gefahren, die diese Mission begleiten. Carpenter aktiviert bei seiner Inszenierung endlich wieder einige seiner alten Tugenden, kreiert die richtige Atmosphäre, die die Angst der Beteiligten adäquat auf den Zuschauer überträgt, und findet einen Erzählfluss, der die Spannung bis zum natürlich tragischen Ende geschickt aufrechterhält. 
Carpenters Beitrag zählt nicht nur zu den besten der 13-teiligen „Masters of Horror“-Anthologie, sondern führte auch dazu, dass der Filmemacher ein Jahr darauf für die zweite Staffel mit „Pro-Life“ einen weiteren Beweis dafür lieferte, dass ab und zu noch mit ihm zu rechnen ist. Im Gegensatz zu dem völlig verkorksten „Ghosts of Mars“ stimmen hier auch die Darstellerleistungen. 
Udo Kier („Melancholia“, „Hunters“) ist als Sammler obskurer Filme in einer Paraderolle zu sehen. Interessant ist zudem die Tatsache, dass Carpenters Sohn Cody die eingängige elektronische Filmmusik beigesteuert hat. Seither haben Vater und Sohn gemeinsam ihre musikalische Karriere vorangetrieben. 

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