Das unsichtbare Auge

Vor allem mit seinem zweiten Film „Assault – Anschlag bei Nacht“ (1976) demonstrierte John Carpenter, dass er sehr geschickt Spannung aus Bedrohungssituationen kreieren kann. Zwei Jahre später inszenierte er mit „Halloween“ nicht nur sein Genre-prägendes Meisterwerk, das bis heute diverse Sequels und Reboots erlebt, sondern auch den für Warner Bros. entstandenen Fernsehfilm „Das unsichtbare Auge“, der eine moderne Variation von Alfred Hitchcocks Klassiker „Das Fenster zum Hof“ darstellt. 

Inhalt: 

Die 29-jährige Fernseh-Regisseurin Leigh Michaels (Lauren Hutton) wagt nach einer gescheiterten Beziehung einen Neuanfang, zieht von New York City nach Los Angeles und zieht in ein geräumiges Apartment im Arkham Tower. In ihrem Job lebt sie sich schnell ein, freundet sich mit ihrer lesbischen Kollegin Sophie (Adrienne Barbeau) an und wimmelt unnachgiebig jeden Verehrer ab. Stattdessen spricht sie aus einem Impuls heraus in einer Bar den Philosophieprofessor Paul (David Birney) an, mit dem sie einen zauberhaften Abend verbringt, aber – zunächst - mehr als einen Abschiedskuss nicht zulässt. Doch Leigh hat sich kaum eingelebt, erhält sie merkwürdige Anrufe – auch im Büro -, Briefe mit Gewinn-Benachrichtigungen bei einem Preisausschreiben. Anfangs begegnet Leigh dem anonymen Anrufer noch mit Humor, doch dann wird Leigh bewusst, dass der Mann am anderen Ende der Leitung so viel über sie weiß, dass er sie offensichtlich vom gegenüberliegenden Blake Tower aus beobachtet. Schließlich flackert gelegentlich das Licht in ihrer Wohnung, werden Nachrichten an ihre Wohnungstür geklebt. 
Paul schildert den Fall dem befreundeten Cop Gary Hunt (Charles Cyphers) doch der kann nichts unternehmen, solange kein Verbrechen vorliegt. Als Leigh ein Teleskop von dem ominösen Unternehmen bekommt, das ihr bereits eine sechsmonatige Reise in Aussicht gestellt hat, beginnen Leigh und Sophie die für eine Überwachung von Leighs Apartment in Frage kommenden Apartments auszukundschaften. Tatsächlich entdecken sie einen Mann mit Teleskop, der nach diversen Polizeiverhören schließlich seinen Job verliert und die Stadt verlässt, doch der Terror gegen Leigh nimmt kein Ende … 

Kritik: 

Carpenter realisierte diesen Fernsehfilm nach eigenem Drehbuch noch am Anfang seiner Karriere, doch präsentiert er sich bereits als Meister der Spannung. Natürlich wird die Referenz an Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ schnell deutlich, aber Carpenter gelingt es, die Lust des Voyeurs geschickt mit der Beklemmung des Stalker-Opfers zu verbinden. Der triste TV-Look ist zwar nicht besonders ansprechend, dadurch wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers aber ganz auf die Protagonistin gelenkt, die ein ganz gewöhnliches Leben als erfolgreiche wie emanzipierte Single-Frau führt und durch die glaubwürdige Performance von Lauren Hutton („Willkommen in Los Angeles“, „Ein Mann für gewisse Stunden“) auch eine starke Identifikationsfigur darstellt. 
Der Stalker wird dagegen so anonym präsentiert, wie er auch für Leigh wirkt, als schwer fassbare, auch von der Polizei nicht zu greifende allgegenwärtige Bedrohung, die sukzessive durch ständige Telefonanrufe und Ereignisse zunimmt, die Leigh deutlich machen, wie viel der Stalker über ihr Leben weiß. Carpenter thematisiert auf der einen Seite die Lust des Voyeurs, unbemerkt das Leben anderer Menschen auszuspionieren, wie in der Szene deutlich wird, als Sophie durch das Teleskop die gegenüberliegenden Wohnungen absucht, um herauszufinden, was für ein Leben die Menschen dort führen. Auf der anderen Seite bringt Carpenter den Kontrollverlust über das eigene Lebend und die damit verbundene Angst auf fesselnde Weise zum Ausdruck, indem die Nachrichten des Stalkers immer mehr in Leighs Privatsphäre eindringen. 
Damit greift Carpenter bereits Wesenszüge der modernen, digitalisierten Gesellschaft auf, in der niemand mehr die Kontrolle über die Informationen hat, die andere über ihn einholen können. Zu der psychischen Bedrohung gesellt sich zum packenden Finale hin auch eine ganz körperliche, aber Leigh lässt sich von ihrer Angst nicht lähmen, sondern sucht die Konfrontation mit ihrem Peiniger. Hier kommen ebenso wie in „Halloween“ auch herrlich scharfe, im Licht glitzernde Messer zum Einsatz. „Das unsichtbare Auge“ war übrigens die erste Zusammenarbeit des Regisseurs mit der Schauspielerin Adrienne Barbeau, die später Carpenters Frau wurde und in seinen Filmen „The Fog – Nebel des Grauens“ und „Die Klapperschlange“ zu sehen war. 

Kommentare

Beliebte Posts