Ich bin ein Atomspion
Russell Rouse (1913-1987) hat seine Karriere in Hollywood als Drehbuchautor begonnen und schrieb u.a. das Drehbuch zum Noir-Klassiker „Opfer der Unterwelt“ (1949). Seit dem Thriller „Stadt in Aufruhr“ (1951) übernahm Rouse auch die Regie zu seinen Drehbüchern und wurde mit „Ich bin ein Atomspion“ (1952) vor allem deshalb bekannt, weil der Film ohne einen einzigen Dialog auskam.
Der für die US-amerikanische Atombehörde arbeitende Physiker Dr. Allan Fields (Ray Milland) führt ein Doppelleben als Spion. Nach einem ausgetüftelten Plan fotografiert er geheime Dokumente mit einer Mini-Kamera und übergibt die kleine Filmkassette zu verabredeten Zeitpunkten in die Hände eines Kontaktmannes, worauf weitere Boten dafür sorgen, dass das brisante Material ins Ausland gelangt. Nachdem Fields auch aus dem Safe eines seiner Kollegen geheime Dokumente abfotografiert hat, wird ein zwischengeschalteter Bote im Central Park von einem Auto erfasst. Ein Streifenpolizist entnimmt dem Toten die kleine Dose mit dem Film, die schließlich beim FBI landet. Als Fields beobachtet, wie sein Kollege vom FBI abgeführt wird, weiß er, dass er droht aufzufliegen. Er untersucht seine Single-Wohnung nach Wanzen und hält argwöhnisch Ausschau nach Beschattern. Tatsächlich werden sowohl er selbst als auch seine Kontaktfrau, die er auf dem Empire State Building treffen soll, vom FBI observiert …
Kritik:
Es ist schon gewagt, einen Spielfilm ganz ohne Dialoge zu inszenieren, aber Rouse hat sich dafür auch ein adäquates Thema ausgesucht. Als Spion agiert Ray Milland („Der unheimliche Gast“, „Bei Anruf Mord“) im Verborgenen, sein Doppelleben verbringt er nicht nur allein – sowohl in seinem Labor als auch in seiner Wohnung -, sondern auch im Geheimen, so dass er über seine Spionagetätigkeit ohnehin kein Wort verlieren kann.
„Ich bin ein Atomspion“ gibt keine Auskunft, wie Dr. Fields zum Spion wurde. Die Geschichte beginnt mit einer kurzen Einführung in seine Arbeit und dem Fotografieren geheimer Dokumente. Der Film gelangt schließlich über etliche Stationen und Boten ins Zielland. Das ist alles recht unspektakulär inszeniert. Spannung kommt eigentlich nur über die Tonebene auf, die komplett synchronisiert wurde, damit kein Wort gehört werden konnte. Immer wieder klingeln Telefone, deren Hörer nicht abgenommen werden, dann sorgt die Oscar-nominierte Musik von Herschel Burke Gilbert („Sittenpolizei“, „Im Dunkel der Nacht“) für packende Momente.
Darstellerisch stemmt Milland den Film nahezu allein auf seinen Schultern. Hier ist vor allem seine Mimik gefragt, wenn er Angst empfindet, entdeckt zu werden – wie im Büro seines Kollegen – oder Gewissensbisse bekommt. Zwar funktioniert „Ich bin ein Atomspion“ tatsächlich ohne Dialoge, doch fehlt ihm damit ein wesentliches Element, um den Zuschauer durchweg zu fesseln. Die vom später Oscar-prämierten Kameramann Sam Leavitt („Flucht in Ketten“, „Anatomie eines Mordes“) eingefangenen Bilder sind allerdings grandios und versprühen die für Noir-Produktionen typische düstere Atmosphäre mit schönen Kontrasten und interessanten Perspektiven.
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