Der Gesang der Flusskrebse
Die aus Georgia stammende Zoologin Delia Owens veröffentlichte zwischen 1984 und 2006 zunächst zusammen mit ihrem Mann, dem Zoologen und Biologen Mark Owens, drei Bücher, ehe sie 2018 mit „Der Gesang der Flusskrebse“ ihren ersten eigenen Roman präsentierte und damit gleich einen internationalen Bestseller schuf, der auch hierzulande über 80 Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste stand. 2022 nahm sich Olivia Newman der Romanvorlage an, nachdem sie zuvor mit „First Match“ (2018) erst einen Kinofilm und sonst nur einzelne Folgen von Fernsehserien wie „Chicago P.D.“ und „FBI“ inszeniert hatte. Entstanden ist ein vorlagengetreues Emanzipations- und Justiz-Drama vor atemberaubender Naturkulisse.
Catherine „Kya“ Danielle Clark (Jojo Regina) wächst in den 1950er Jahren in den Great Dismal Swamps, im Marschland an der Küste von North Carolina auf und leidet wie ihre Mutter (Ahna O’Reilly) und ihre älteren Geschwister unter der Gewalttätigkeit ihres Vaters (Garret Dillahunt). Während ihre Mutter und auch ihre Geschwister bald das Weite suchen, bleibt Kya bei ihrem Vater, bis auch er eines Tages verschwindet. Kya schlägt sich mit dem durch, was ihr die Marsch zu bieten hat, wobei nahezu ihre einzigen Kontakte zur Außenwelt für einige Jahre der afroamerikanische Gemischtwarenhändler Jumpin‘ (Sterling Macer Jr.) und dessen Frau Mabel (Michael Hyatt) darstellen, bei denen sie sich mit dem Verkauf von Muscheln über Wasser hält. In der Schule der Kleinstadt Barkley wird Kya, die in dem „Marschmädchen“ ein verwilderte Außenseiterin sehen, gleich am ersten Tag gehänselt, so dass sie sie nicht weiter besucht.
Anfang der 1960er Jahre freundet sie sich mit dem Krabbenfischersohn Tate Walker (Taylor John Smith) an, der ihr Lesen und Schreiben beibringt. Als er für das College die Gegend verlässt, gibt er ihr den Rat, sich mit ihrem großen Talent als Zeichnerin bei Verlagen zu bewerben, damit sie für ihr Auskommen nicht weiterhin nur auf Muscheln angewiesen zu sein braucht. Tatsächlich kauft ein Verlag später ihre Bilder und Naturbeschreibungen. Als Tate aufs College geht, vereinbaren sie das nächste Treffen am 4. Juli, doch Tate versetzt sie und hat jahrelang keinen Kontakt zu ihr. Trotz der tiefen Enttäuschung mit Tate lässt sie sich mit dem allseits beliebten Chase Andrews (Harris Dickinson) ein, der – wie Kya später herausfindet – allerdings schon verlobt ist. Als Chase eines Tages tot unter einem Aussichtsturm aufgefunden wird, deuten einige Indizien darauf hin, dass Kya Chase vom Turm gestoßen haben könnte. Der gutmütige Tom Milton (David Strathairn) übernimmt vor Gericht ihre Verteidigung…
Kritik:
Man merkt Olivia Newman und ihrer Drehbuchautorin Lucy Alibar („Beasts of the Southern Wild“, „Troop Zero“) deutlich an, dass sie es bei ihrer Leinwandadaption von Delia Owens‘ Bestseller-Roman vor allem darauf angelegt haben, es den Liebhabern des Buches recht zu machen. Die atmosphärisch stimmige Mischung aus Coming-of-Age-, Romantik- und Justiz-Drama beginnt mit dem Auffinden der Leiche von Chase Andrews und erzählt dann in ausladenden Rückblenden die Geschichte des „Marschmädchens“ Kya von der Kindheit bis zu ihrer Verhaftung und dem Versuch ihres einfühlsamen Anwalts, etwas mehr über seine Mandantin zu erfahren, deren Verteidigung er aus eigenem Antrieb übernommen hat.
Dabei spielt die wunderbare Landschaft der Great Dismal Swamps und ihre faszinierende Fauna und Flora fast eine ebenso wichtige Rolle wie das Schicksal der über viele Jahre ganz auf sich allein gestellten und sehr scheuen Kya, die von Daisy Edgar-Jones („Fresh“, „Normal People“) überzeugend verkörpert wird. Im Mittelpunkt ihres Erwachsenen-Daseins steht natürlich das Liebes-Dreieck, in dem sich der sympathische, aber letztlich unzuverlässige Tate und der Weiberheld Chase um die Gunst der zurückhaltenden Naturliebhaberin bemühen. Allerdings bleibt die Aufarbeitung der beiden mehr oder weniger bedeutenden Romanzen recht oberflächlich, da die Figuren von Chase und Tate nicht besonders ausdifferenziert worden sind.
„Der Gesang der Flusskrebse“ ist mehr um eine wohltuende Atmosphäre und die Emanzipation der Protagonistin bemüht, als eine spannende Geschichte zu erzählen, und punktet deshalb auch eher über Polly Morgans („Lucy in the Sky“, „Legion“) stimmungsvolle Naturbilder und Mychael Dannas („Hearts in Atlantis“, „Capote“) leicht ethnisch angehauchten, sehr sparsam eingesetzten Score als über die die doch sehr gradlinige, spannungsarme Dramaturgie.
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