Komm und sieh das Paradies
Seit seinem zweifach Oscar-prämierten Meisterwerk „12 Uhr nachts – Midnight Express“ (1978) hat sich der britische Filmemacher Alan Parker in Dramen wie „Birdy“, „Shoot the Moon“, „Angel Heart“ und „Mississippi Burning“ eindringlich mit Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen beschäftigt. In seinem 1990 entstandenen Drama „Komm und sieh das Paradies“ tritt dieser Schwerpunkt nicht ganz so dramatisch in den Vordergrund, berührt aber aufgrund der feinfühligen Inszenierung und der bei Parker-Filmen üblichen Klasse der Darsteller.
New York im Jahr 1936. Nach einem von Gewerkschaftsaktivisten gelegten Brand in einem Kino will Jack McGurn (Dennis Quaid) mit dem skrupellosen Vorgehen der Filmvorführergewerkschaft in Brooklyn nichts mehr zu tun haben und kommt vorübergehend bei der Familie seines Bruders Gerry (Colm Meaney) in Los Angeles unter. Da dieser in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten aber nicht mit einem „Roten“ unter einem Dach leben will, zieht Jack schnell weiter und findet im Stadtteil Little Tokyo im Kino des aus Japan eingewanderten Mr. Kawamura (Sab Shimono) eine Anstellung als Filmvorführer. Jack, der seinen Nachnamen in McGann geändert hat, freundet sich mit Mr. Kawamuras Sohn Charlie (Stan Egi) an und verliebt sich in dessen Schwester Lily (Tamlyn Tomita), deren traditionell veranlagten Eltern allerdings gegen diese Beziehung sind.
Da in Kalifornien Ehen zwischen Japanern und Nicht-Japanern nicht erlaubt sind und weil Lily einer arrangierten Ehe mit einem älteren Mann aus dem Weg gehen will, der für die Schulden von Lilys Vater aufkommen würde, gehen Jack und Lily nach Seattle, wo sie heiraten und ein Jahr später Eltern einer Tochter werden. Jack arbeitet in einer Fischkonservenfabrik, wo er sich nach der Misshandlung von friedlich demonstrierenden Gewerkschaftern auf die Seite der Demonstranten stellt und sich wieder gewerkschaftlich zu betätigen beginnt.
Als Jack bei einer von der Polizei gewaltsam aufgelösten Demonstration verletzt und inhaftiert wird, beschließt Lily, mit ihrer Tochter zu ihren Eltern zurückzukehren.
In Los Angeles angelangt erfährt sie, dass ihr Vater verhaftet und nach North Dakota verbracht wurde. Die Japaner haben inzwischen Pearl Harbor bombardiert und befinden sich im Krieg mit den USA.
Die japanisch-stämmigen Einwanderer werden zunehmend Opfer von Vandalismus und Misshandlungen ihrer weißen Mitbürger. Schließlich erlässt Präsident Franklin D. Roosevelt die berüchtigte Verfügung Nr. 9, die die Internierung aller in den USA lebenden Japaner vorsieht. Die Kawamuras werden mit Tausenden anderen ins Internierungslager Manzanar transportiert, Jack entgeht durch den Eintritt in die US-Armee einer weiteren Haftstrafe, entfernt sich aber unerlaubt von der Truppe, um bei seiner Familie zu sein. Allerdings muss er feststellen, dass er wenig zur Verbesserung der Lebensumstände seiner Familie ausrichten kann…
Kritik:
Nach dem düsteren Rassismus-Drama „Mississippi Burning“ (1988) setzte sich Alan Parker zwei Jahre später mit einem weiteren düsteren Kapitel der US-amerikanischen Geschichte auseinander, auch wenn es in „Komm und sieh das Paradies“ vordergründig nicht so gewalttätig zugeht. Vor dem Hintergrund einer Liebesgeschichte zwischen einem irisch-stämmigen Amerikaner und einer Japanerin thematisiert Parker, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, wie Tausende von Japanern aus Angst vor Spionage und Sabotage in Lager interniert wurden.
Auch wenn dabei politische Themen wie der Kampf der Gewerkschaften gegen widrige Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und die Stellung der japanischen Bevölkerung in den USA gestreift werden, fokussiert sich Parker doch vor allem – wie später Scott Hicks in seinem starken Melodram „Schnee, der auf Zedern fällt“ - auf die unter schwierigen Bedingungen stehende Liebe zwischen Jack und Lily.
Viel Raum gewährt Parker den innerfamiliären Konflikten der internierten Kawamuras. So wird Mr. Kawamura nach seiner Rückkehr ins Lager für ein Spitzel des FBI gehalten und so stark gemieden, dass er zusehends vereinsamt, während Charlie Kawamura durch die ungerechte Behandlung im Lager zum japanischen Nationalisten wird und sein Bruder Harry durch freiwilligen Dienst in der Armee dem Leben im Lager entflieht.
„Komm und sieh das Paradies“ beschreibt in eindringlichen Bildern die teils unmenschlichen Umstände, unter denen die Japaner im Lager, aber schon zuvor seit der Bombardierung von Pearl Harbor zu leiden hatten, als ihre Geschäfte und Häuser geplündert wurden. Das Drama handelt aber auch vom Verlust der Heimat und der Identität. Während Jacks frühere Frau beispielsweise wieder in ihre irische Heimat zurückgekehrt ist, versucht Jack die ganze Zeit, sich selbst zu finden, während Lily zwar in den USA geboren wurde, aber noch ganz stark von den Traditionen geprägt wird, die ihre Familie hochhält. Dennis Quaid („D.O.A. – Bei Ankunft Mord“, „The Day After Tomorrow“) und Tamlyn Tomita („The Day After Tomorrow“, „The Eye“) überzeugen als Liebespaar, das sich trotz des Krieges zwischen den USA und Japan und den daraus folgenden widrigen Umständen die Treue halten. Dank der routinierten Inszenierung durch Altmeister Alan Parker fällt das Liebesdrama glücklicherweise gar nicht kitschig aus.
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