Der Knochenjäger

Die 1997 von Jeffery Deaver initiierte Thriller-Reihe um den ab dem Hals abwärts nahezu vollständig gelähmten Ex-Cop und Spitzenermittler Lincoln Rhyme zählt mittlerweile zu den erfolgreichsten Thriller-Serien weltweit und umfasst bis dato vierzehn Bände. Gleich den ersten, „The Bone Collector“, hat der Australier Phillip Noyce („Das Kartell“, „Sliver“) mit dem gut funktionierenden Gespann Denzel Washington und Angelina Jolie in den Hauptrollen verfilmt und folgt dabei den Pfaden von Serienkiller-Blockbustern wie „Das Schweigen der Lämmer“ und „Sieben“ – ohne jedoch deren Klasse zu erreichen. 

Inhalt:

Vor vier Jahren wurde der brillante Spurensicherungsexperte der New Yorker Morddezernats, Lincoln Rhyme (Denzel Washington), bei der Sicherung eines Tatorts in einem U-Bahn-Schacht durch einen herabstürzenden Betonblock so schwer verletzt, dass er nur noch den Kopf, die Schultern und den linken Zeigefinger bewegen kann. Dank einer aufwendigen Apparatur, die er mit Zeigefinger, Mund und Sprache steuern kann, hilft der brillante Ermittler, dessen Bücher auf dem Lehrplan für angehende Cops stehen, dem Department immer wieder bei kniffligen Fällen aus. Doch die unkontrolliert auftretenden Krampfanfälle infolge seiner Dysreflexie beeinträchtigen seine Lebensqualität so stark, dass er seinen behandelnden Arzt und Freund Dr. Barry Lehman (John Benjamin Hickey) darum bittet, ihm Sterbehilfe zu leisten. 
Doch dann fesselt ein besonders bizarrer Mordfall seine Aufmerksamkeit. An Bahngleisen wurde die bis auf eine Hand vergrabene Leiche eines Mannes gefunden, mit einem bis auf den Knochen freigelegten Finger, auf dem der Ring seiner Ehefrau steckt, die noch vermisst wird. Weitere Indizien am Tatort weisen darauf hin, dass der Polizei nur bis vier Uhr nachmittags Zeit bleibt, die Frau lebendig zu finden. Während Rhyme das Team um seine früheren Kollegen, Detective Paulie Sellitto (Ed O’Neill) und Forensiker Eddie Ortiz (Luis Guzmán), in seiner Wohnung eine provisorische Ermittlungseinheit zusammenstellen lässt, fordert er die junge Streifenpolizistin Amelia Donaghy (Angelina Jolie) für die Spurensicherung vor Ort an, nachdem sie durch ihre beherzte und instinktiv hervorragende Erstsicherung der Beweise am Tatort sichergestellt hat, dass dem NYPD überhaupt so viele Hinweise vorliegen. Captain Howard Cheney (Michael Rooker), der Leiter der Abteilung, zeigt sich wenig davon begeistert, will aber wenigstens über jeden Schritt informiert werden. Während Amelia die Laufarbeit verrichtet, versucht Rhyme in seinem High-Tech-Appartement in Manhattan die rätselhaften Tatorthinweise zu entschlüsseln. Dabei werden neben Knochen auch Papierschnipsel gefunden, die wie ein Puzzle zusammengesetzt werden müssen. Zwar kann anhand der Indizien der Aufenthaltsort der Frau ihres bereits ermordeten Mannes ausfindig gemacht werden, doch der Täter hat geschickt jeden Zugang gekappt, so dass Amelia, Paulie und das Einsatzkommando zu spät kommen, um sie zu retten. 
Nachdem sie sich mühsam einen Weg zum Tatort gebahnt haben, entdeckt Amelia weitere Spuren, die der bestialische Killer hinterlassen hat, um Rhyme auf den nächsten Tatort hinzuweisen. Doch wie Rhyme und Amelia bald feststellen müssen, hat der Killer noch etwas ganz anderes im Sinn… 

Kritik: 

Das Genre des Serienkillerfilms wurde schon früh in der Geschichte des Films mit Werken wie Alfred Hitchcocks „Der Mieter“ (1927) und Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) geboren, doch die 1990er Jahre brachten gleich eine ganze Reihe mehr oder weniger bemerkenswerte Werke Jonathan Demmes mehrfach Oscar-prämiertes Thriller-Drama „Das Schweigen der Lämmer“ (1991), Jon Amiels „Copykill“ (1995), David Finchers „Sieben“ (1997), Gary Fleders „… denn zum Küssen sind sie da“ (1997) oder Neil Jordans „Jenseits der Träume“ (1999) hervor. Auf diesen kassenträchtigen Zug ist Phillip Noyce mit der Verfilmung von Deavers hierzulande erstmals unter dem Titel „Die Assistentin“ veröffentlichten Roman „The Bone Collector“ aufgesprungen. 
Seinen Reiz erhält sein atmosphärisch dichter Thriller vor allem aus dem ungewöhnlichen Ermittler-Gespann, denn die Verbindung des genialen Verstandes des fast vollständig gelähmten Spurensicherungsexperten Lincoln Rhyme mit dem perfekten Instinkt der noch unerfahrenen Streifenpolizistin Amelia Donaghy bietet auch Raum für das Genre ungewöhnlich differenzierte Charakterstudien. Die beiden Oscar-Preisträger Denzel Washington („Philadelphia“, „Training Day“) und Angelina Jolie („Durchgeknallt“, „Lara Croft: Tomb Raider“) verleihen ihren Figuren ein starkes Profil, und es zeigt sich hier einmal mehr die ausgeprägte Fähigkeit des Regisseurs zur Schauspielführung. Dass Washingtons Figur des lebensmüden, ans Bett gefesselten gelähmten Ermittlers durch die feinfühlige wie taffe und natürlich sehr attraktive Nachwuchspolizistin wieder Lust am Leben gewinnt, ist mehr als verständlich. 
Fast gerät die Jagd nach dem „Knochensammler“ zur Nebensache. Die Schnitzeljagd ist spannend inszeniert, in abgründig düsteren Bildern von Dean Semler („Der mit dem Wolf tanzt“, „Apocalypto“) eingefangen und von Craig Armstrongs („Kiss the Dragon“, „Anatomie einer Entführung“) hypnotischen Score perfekt untermalt, doch die vermeintlich überraschende Auflösung wirkt nicht nur hastig dem vorangegangenen Plot drangehängt, sondern auch vollkommen willkürlich aus dem Ärmel geschüttelt. Dabei hätte diese atmosphärisch dichte, dramaturgisch bis dahin sorgfältig inszenierte Geschichte auch einen gelungenen Schluss verdient gehabt, der den Gesamteindruck nicht so trüben würde.  

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