Ein verborgenes Leben

Von seinem bemerkenswerten Regiedebüt „Badlands – Zerschossene Träume“ (1973) hat Terrence Malick stets etliche Jahre gebraucht, um ein weiteres Meisterwerk zu präsentieren. Zwischen seinem zweiten Film „In der Glut des Südens“ (1978) und dem siebenfach Oscar-nominierten „Der schmale Grat“ (1998) waren es sogar satte zwanzig Jahre. Thematisch kehrt Malick mit „Ein verborgenes Leben“ (2019) zu diesem prominent besetzten Antikriegs-Drama zurück. Auch sein aktuelles Werk ist zeitlich im Zweiten Weltkrieg verortet, doch wechselt er den Schauplatz von der kleinen Pazifik-Insel Guadalcanal zu einem österreichischen Ort mitten in den Bergen und verzichtet diesmal auch auf jedwede Inszenierung von Kampfhandlungen. 

Inhalt: 

Der Bergbauer Franz Jägerstätter (August Diehl) lebt und arbeitet mit seiner Frau Fani (Valerie Pachner) und den drei gemeinsamen Töchtern sowie Fanis unverheirateten Schwester Resi (Maria Simon) und seiner Mutter (Karin Neuhäsuer) in dem kleinen 500-Einwohner-Dorf St. Radegund in bei Salzburg. Noch sind die Schrecken des Zweiten Weltkriegs weit weg, doch dann lässt Hitlers Regime auch die österreichischen wehrfähigen Männer zum Kriegsdienst verpflichten. Franz wird zusammen mit Waldland (Franz Rogowski) 1940 zu einem Militärstützpunkt einberufen, wo sie an einem Training zur Vorbereitung auf Krieg und Kampf teilnehmen, doch Franz lehnt es ab, Hitler die Treue zu schwören oder die Kriegsanstrengungen in irgendeiner Weise zu unterstützen, da er nicht sicher ist, für welche Sache er eigentlich kämpfen soll. 
Als er einberufen wird, sucht er Rat bei Pfarrer Fürthauer (Tobias Moretti), muss aber erkennen, dass sich die Kirche bereits am Tod unschuldiger Menschen mitschuldig gemacht hat. Fürthauer, der seine Stelle nach der Entlassung seines Vorgängers erhalten hat, nachdem dieser gegen den Nationalsozialismus gepredigt hatte, versucht Franz davon zu überzeugen, dass sein Opfer niemandem nütze, wenn er wegen Kriegsdienstverweigerung inhaftiert oder hingerichtet würde. Franz appelliert auch an den Bischof Fließer (Michael Nyqvist) wegen seiner Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst zu verweigern, bekommt aber auch von ihm keine Unterstützung. Franz Haltung macht natürlich auch schnell im Dorf die Runde, wo ihn auch nicht Bürgermeister Kraus (Karl Markovics) zum Umdenken bewegen kann. 
Franz und seine Familie werden zu mürrisch beäugten und sogar angefeindeten Außenseitern. Als Franz nach seiner Einberufung 1943 den Kriegsdienst verweigert, wird er wegen Wehrkraftzersetzung inhaftiert und ins Gefängnis Berlin-Tegel gebracht, wo er auf seinen Prozess wartet, bei dem ihm die Todesstrafe droht… 

Kritik: 

Terence Malick verfilmte mit „Ein verborgenes Leben“ die wahre Lebensgeschichte von Franz Jägerstätter, wie sie der US-Soziologe Gordon Zahn in der 1964 veröffentlichten Biografie „Er folgte seinem Gewissen. Das einsame Zeugnis des Franz Jägerstätters“ niederschrieb. Nach der einfühlsamen Einführung des überaus glücklichen Ehepaars bilden die Auszüge aus Leni Riefenstahls Propagandafilm „Triumph des Willens“ einen harten Kontrast zum naturverbundenen, friedfertigen Leben in den österreichischen Alpen, der bereits den Gewissenskonflikt vorwegnimmt, der Franz von seiner Familie, aber auch der Dorfgemeinschaft entfremden wird. 
Bereits in „Der schmale Grat“ hat Malick nur sporadisch Kampfhandlungen präsentiert, die die Sinnlosigkeit des Krieges betont haben, doch hat er sich schon dort weitaus intensiver mit den Gedanken und Gefühlen der Soldaten auseinandergesetzt und diese mit überwältigenden Naturaufnahmen bebildert. In „Ein verborgenes Leben“ lässt Malick die Schlachten auf dem Feld komplett außen vor und konzentriert sich ganz auf das Innenleben seiner Protagonisten. Wie gewohnt kommen diese mehr in inneren Monologen als gesprochenen Dialogen zum Ausdruck, während der langen Trennung zwischen Franz und seiner Frau vor allem in den Briefen, die sie sich gegenseitig schreiben.  
Malicks Film stellt eine Art Passionsgeschichte dar, die Franz‘ Leidensweg ganz konkret mit dem von Christus vergleicht, wie es in der Szene zum Ausdruck kommt, als Franz sich mit dem Wandmaler Ohlendorf (Johan Leysen) in der Dorfkirche über die Wirkung der sakralen Bilder auf die Gemeinde unterhält und betont, dass diese Bewunderer, aber keine Nachahmer hervorbringen würden. Letztlich geht auch Franz für seine Überzeugungen ganz allein auf einen Weg, auf dem er sich selbst treu bleibt, sich aber von seiner Familie und seiner Lebenswelt immer mehr entfernt. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass er durch sein Verhalten absolut nichts verändern wird, dass seine Entscheidung von niemandem wahrgenommen wird. 
Im Gegensatz zu den zunehmend fragmentierten Erzählstrukturen, die Malick in seinen letzten Filmen „To the Wonder“ (2012), „Knight of Cups“ (2014) und „Song to Song“ (2016) verfolgt hat, überrascht der begnadete Filmemacher in seinem fast dreistündigen Drama mit einer wieder eher traditionell inszenierten Dramaturgie, die durch Zeit- und Ortsangaben immer wieder konkretisiert wird. Zwar schleichen sich gerade im Mittelteil auch einige Längen ein, wenn Franz‘ Martyrium in den Nazi-Gefängnissen geschildert wird, aber letzten Endes untermauert es die kompromisslose Konsequenz seiner Entscheidung, sich und seine ethische Einstellung nicht von einem Unrechtsregime korrumpieren zu lassen. 
Malick kontrastiert die Folgen dieser Gewissensentscheidung wie gewohnt mit großartigen Naturaufnahmen, die allerdings weniger spektakulär wie noch bei „The Tree of Life“ oder der Natur-Doku „Voyage of Time“ ausfallen, sondern natürlicher in die Geschichte eingebettet sind. Der amerikanische Filmemacher verzichtete diesmal auf große Hollywood-Namen. Auch wenn in Nebenrollen einige illustre Namen wie Matthias Schoenaerts sowie Michael Nyqvist und Bruno Ganz in ihren jeweils letzten Filmarbeiten zu sehen sind, ist es doch vor allem August Diehl („Inglourious Basterds“, „Was nützt die Liebe in Gedanken“), der als überzeugter Kriegsdienstverweigerer den schauspielerischen Glanzpunkt setzt. Als seine Frau überzeugt die Österreicherin Valerie Pachner („Der Boden unter den Füßen“, „The King’s Man“). Daneben sind auch bekannte deutsche Darsteller wie Martin Wuttke, Tobias Moretti und Ulrich Matthes in Nebenrollen zu sehen. Untermalt vom zurückhaltenden Score von James Newton Howard („Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, „Red Sparrow“) und einigen klassischen Stücken von Bach, Beethoven, Händel, Dvorák, Pärt und Górecki fesselt „Ein verborgenes Leben“ als eindringliches und nach wie vor hochaktuelles Plädoyer für den Mut, seinem eigenen Gewissen auch bei Androhung schrecklicher Konsequenzen für sich selbst und seiner Liebsten zu folgen.  

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