Angel-A
Nach dem 85 Millionen Dollar teuren Flop mit dem zweieinhalbstündigen Historien-Epos „Johanna von Orleans“ (1999) gönnte sich der französische Filmemacher Luc Besson („Nikita“, „Léon – Der Profi“, „Das fünfte Element“) erst einmal eine längere Regiepause und verlegte sich auf das Schreiben der Drehbücher der auch von ihm produzierten Filme „The Dancer“, „Kiss of the Dragon“, „Wasabi – Ein Bulle in Japan“, „Fanfan der Husar“ und „Die purpurnen Flüsse 2“, ehe er wieder selbst Lust verspürte, auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen.
Nach den Großproduktionen früherer Jahre präsentiert sich das moderne Märchen „Angel-A“ (2005) nicht nur in Schwarzweiß, sondern auch sonst überraschend minimalistisch.
Der Kleinkriminelle André (Jamel Debbouze) wird wegen ausbleibender Rückzahlungen seiner Schulden bei den Kredithaien in Paris von deren brutalen Handlangern immer wieder in die Mangel genommen, bis der verzweifelte Amerikaner marokkanischer Herkunft keinen Ausweg mehr sieht und sich an einem Sonntagmorgen von der Pariser Pont Alexandre III in die Seine stürzen will. Doch dann taucht wie aus dem Nichts eine wunderschöne, wasserstoffblonde Frau (Rie Rasmussen) auf, die kurzerhand von der Brücke in den Fluss springt. André lässt daraufhin von seinem Vorhaben ab, springt ihr hinterher und zieht die großgewachsene Schönheit an das rettende Ufer. Die Wasserstoffblondine in dem knappen schwarzen Kleidchen stellt sich als Angela vor und weicht nicht mehr von Andrés Seite.
Als Dank für ihre Rettung sorgt sie nicht nur auf unkonventionelle Weise dafür, dass Andrés immense Schulden sowohl bei dem Mafioso Franck (Gilbert Melki) als auch dem spanischen Barbesitzer Pedro (Serge Riaboukine) beglichen werden, sie will André auch seine Selbstachtung zurückgeben. Als sie beim Essen über ihre jeweilige Herkunft sprechen, offenbart Angela dem im Verhältnis zu ihr kleinwüchsigen André, dass sie vom Himmel auf die Erde mit der Mission geschickt wurde, André dabei zu helfen, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Das glaubt er ihr allerdings erst, als sie den Aschenbecher vor ihr in der Luft schweben und die Zigarette in ihrer Hand erneuern lässt. Tatsächlich gelingt es ihr, dass ihr Schützling seinen Körper und die guten Seiten in ihm zu lieben lernt, so dass sie ihre Mission für beendet hält und in den Himmel zurückkehren will. Ein Kuss, der ihre Flügel aktiviert, scheint dieses Schicksal zu besiegeln, doch André hat sich natürlich in seine schöne Retterin verliebt und will sie nicht ziehen lassen…
Kritik:
Luc Besson hat mit „Angel-A“ ein ungewöhnliches romantisches Märchen inszeniert, das nicht nur von der einzigartigen Chemie der beiden ungleichen Hauptdarsteller Jamel Debbouze („Die fabelhafte Welt der Amelie“, „Tage des Ruhms“) und Rie Rasmussen („Femme fatale“, „Human Zoo“) lebt, sondern sein Publikum vor allem durch die großartigen Schwarzweißbilder von Kameramann Thierry Arbogast („Léon – Der Profi“, „Die purpurnen Flüsse“) in den Bann schlägt.
Um diese besonders intensive Atmosphäre einzufangen, fanden die Außenaufnahmen in den sehr frühen Morgenstunden statt, so dass das einzigartige Licht wunderbar zur märchenhaften Beziehung zwischen dem verzweifelten Kleinkriminellen, der nie die Erfahrung der Liebe gemacht hat, und der selbstbewussten und offensichtlich kampferprobten blonden Schönheit passt.
Allerdings regiert wie so oft bei Besson der Stil über den Inhalt. Während man sich an den traumhaften Bildern und der ätherischen Musik von Anja Garbarek richtiggehend berauschen kann, weist die himmlische Rettungsmission mit der unvermeidlichen Romanze doch erhebliche Schwächen auf. So wird Andrés Vorstellung, dass Angela sich für ihn prostituiert, um an das Geld für seine Schulden zu kommen, recht plump aufgelöst, und das Dauerfeuer ihrer Dialoge zur Steigerung von Andrés Selbstbewusstsein mutet zur ermüdenden Endlosschleife an.
Bessons inszenatorische Virtuosität und die überzeugenden Darstellerleistungen machen „Angel-A“ dennoch zu einer ungewöhnlichen Romanze vor der pittoresken Kulisse Pariser Wahrzeichen.
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